MONASTIC TOPICS IN GENERAL
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Die
Lectio
Divina
als
Schule
des
Gebets
bei
den
Wüstenvätern ARMAND VEILLEUX
1.
Die
Heilige
Schrift:
eine
Schule
des
Lebens Die Berufung des Antonius,
wie
sie
der
heilige
Athanasius
uns
in
seiner
Vita Antonii überliefert hat, ist wohlbekannt. Der junge Antonius
wuchs
in
einer
christlichen
Familie
der
Kirche
von
Alexandria
(oder
wenigstens
in
der
Umgebung
Alexandriens)
auf.
Von
Kindheit
an
hatte
er
die
Heilige
Schrift
vorgelesen
gehört.
Eines
Tages
jedoch,
als
er
die
Kirche
betritt,
trifft
ihn
der
Schrifttext,
der
gerade
vorgelesen
wird,
auf
besondere
Weise.
Es
ist
die
Geschichte
von
dem
reichen
jungen
Mann,
zu
dem
Jesus
sagt:
„Wenn
du
vollkommen
sein
willst,
geh
und
verkaufe
alles,
was
du
hast
und
gib
es
den
Armen.
Dann
komm
und
folge
mir
nach.
Du
wirst
einen
Schatz
im
Himmel
haben.“
(Mt
19,21) [1]
Zweifellos hatte
Antonius
diese
Perikope
schon
vorher
viele
Male
gehört.
Aber
an
diesem
Tag
trifft
ihn
die
Botschaft
mit
aller
Macht,
und
er
nimmt
sie
als
einen
persönlichen
Anruf
auf.
Darum
antwortet
er
auf
den
Ruf,
verkauft
den
Familienbesitz
–
der
beträchtlich
war
–
und
verteilt
den
Erlös
an
die
Armen
im
Dorf.
Er
behält
nur
so
viel
zurück,
wie
er
für
den
Unterhalt
seiner
jüngeren
Schwester
benötigt,
für
die
er
Verantwortung
trägt. Ein wenig später,
als
er
wieder
einmal
zur
Kirche
kommt,
hört
er
einen
anderen
Evangelientext,
der
ihn
ebenso
sehr
bewegt
wir
der
erste:
„Sorgt
euch
nicht
um
morgen“
(Mt
6,34). [2]
Auch
dieser
trifft
ihn
mitten
ins
Herz
als
ein
persönlicher
Anruf.
Und
so
vertraut
er
seine
Schwester
einer
Gemeinschaft
von
Jungfrauen
an
(solche
Gemeinschaften
existierten
damals
schon
lange),
lässt
alles
hinter
sich,
was
ihm
noch
geblieben
war,
und
beginnt
ein
asketisches
Leben
außerhalb
des
Dorfes
unter
der
Leitung
von
Asketen
jener
Gegend. Hier zeigt sich
deutlich,
wie
wichtig
die
Heilige
Schrift
den
Wüstenvätern
war
und
was
sie
ihnen
bedeutete:
zuerst
und
vor
allem
war
sie
eine
Schule des Lebens für sie. Und weil sie eine Lebensschule war, war
sie
zugleich
eine
Schule
des
Gebets
für
Männer
und
Frauen,
die
aus
ihrem
Leben
ein
immerwährendes
Gebet
machen
wollten,
wie
die
Heilige
Schrift
von
ihnen
verlangte.
Die
Wüstenväter wollten in ihrem Leben treu alle Gebote der
Schrift
erfüllen.
Und
das
erste
konkrete
Gebot,
das
sie
in
der
Schrift
bezüglich
der
Häufigkeit
des
Gebets
fanden,
war
nicht,
dass
sie
zu
dieser
oder
jener
Stunde
des
Tages
und
der
Nacht
beten
sollten,
sondern
dass
sie
ohne
Unterlass
beten
müssten.
Der heilige Athanasius
schrieb
über
Antonius:
„Er
arbeitete
mit
seinen
Händen,
denn
er
hatte
gehört:
„Wer
nicht
arbeiten
will,
soll
auch
nicht
essen“
(2
Thess
3,10).
Und
was
er
erarbeitete,
gab
er
teils
für
seine
Nahrung
aus,
teils
für
die
Bedürftigen.
Er
betete
beständig,
denn
er
hatte
gehört,
es
sei
nötig,
unablässig
bei
sich
zu
beten.
Er
achtete
nämlich
so
aufmerksam
auf
alles,
was
vorgelesen
wurde,
dass
ihm
kein
Wort
der
Schrift
entging
–
vielmehr
nahm
er
alles
in
sich
auf,
so
dass
bei
ihm
das
Gedächtnis
den
Platz
der
Bücher
einnahm.“ [3]
Wir
sollten
bei
diesem
Text
des
Athanasius
sofort
festhalten,
dass
das
immerwährende
Gebet
begleitet
ist
von
anderen
Tätigkeiten,
insbesondere
von
der
Handarbeit,
und
auch
den
Ausdruck
„er
achtete
so
aufmerksam
auf
das,
was
vorgelesen
wurde“
beachten. Selbstverständlich
kann
man
nicht
von
der
Heiligen
Schrift
als
Schule
des
Lebens
bei
den
Wüstenvätern
sprechen,
ohne
die
beiden
wunderbaren
Unterredungen
zu
erwähnen,
die
Cassian
ausdrücklich
dem
Gebet
widmete.
Es
handelt
sich
um
die
9.
und
10.
Unterredung,
die
beide
dem
Abba
Isaak
zugeschrieben
werden
(und
hinter
dem
sich
möglicherweise
die
Gestalt
des
Evagrius
verbirgt). [4]
Das
grundlegende
Prinzip
wird
sofort
zu
Beginn
der
9.
Unterredung
angegeben:
2.
Was
bedeutet
der
Begriff
„lectio
divina“
? Ehe ich weiterfahre, möchte
ich
sofort
klarstellen,
dass
ich
in
diesem
Artikel
über
die
lectio divina bei den Wüstenvätern diesen Ausdruck lectio divina nicht in dem technischen (und verkürzten) Sinn auffasse,
den
man
ihm
in
der
geistlichen
und
monastischen
Literatur
der
letzten
Jahrzehnte
gegeben
hat. Das lateinische
Wort
lectio
meint in seiner ersten und grundlegenden Bedeutung
Unterricht,
eine
Lehre,
eine
„Lektion“.
In
einer
zweiten,
abgeleiteten
Bedeutung
kann
lectio
auch
einen
Text
oder
eine
Gruppe
von
Texten
meinen,
die
diesen
Unterricht
vermitteln.
So
sprechen
wir
zum
Beispiel
von
den
Lektionen aus der Heiligen Schrift, die in der Liturgie gelesen werden
(in
der
eucharistischen
Liturgie
wie
in
der
Stundenliturgie,
vor
allem
im
Nachtoffizium).
Schließlich
kann
das
Wort
lectio in einem noch weiter abgeleiteten Sinn auch „Lesen“ bedeuten. Heute versteht
man
offensichtlich
den
Ausdruck
lectio
divina
allgemein
in
dieser
letzteren
Bedeutung. Tatsächlich spricht man in unseren
Tagen
von
der
lectio
divina
als
von
einer
besonderen
Observanz.
Man
sagt
uns,
dass
es
eine
Art
von
Lesen
sei,
die
sich
von
allen
anderen
Arten
des
Lesens
unterscheide,
und
dass
man
vor
allem
die
wahre
lectio
nicht
verwechseln
dürfe
mit
anderen
Formen
„geistlicher
Lesung“.
Das
ist
eine
ganz
und
gar
moderne
Sicht,
die
als
solche
eine
Auffassung
darstellt,
die
den
Vätern
der
Wüste
–
zu
denen
ich
jetzt
zurückkomme
–
fremd
war. Wenn wir die gesamte
frühe
lateinische
Literatur
heranziehen
(was
heutzutage
einfach
ist,
sei
es
mit
Hilfe
guter
Konkordanzen,
sei
mit
Hilfe
der
CETEDOC
–
CD-ROMs),
stellen
wir
fest,
dass
jedes
Mal,
wenn
bei
den
lateinischen
Schriftstellern
vor
dem
Mittelalter
der
Ausdruck
lectio
divina
erscheint,
damit
die
Heilige
Schrift
selbst
bezeichnet
wird,
und
nicht
eine
menschliches
Tun
mit
der
Heiligen
Schrift.
Lectio divina ist synonym mit sacra
pagina.
So
wird
uns
zum
Beispiel
gesagt,
die
lectio divina lehre uns dies und jenes; wir sollten aufmerksam auf
die
lectio
divina
lauschen,
oder
dass
der
göttliche
Meister
uns
in
der
lectio
divina
an
dieses
und
jenes
Gebot
erinnere,
usw.
Der
heilige
Cyprian
schreibt
zum
Beispiel:
Sit
in
manibus
divina
lectio,
also
„in
Deinen
Händen
sei
die
Heilige
Schrift“, [5]
oder
der
heilige
Ambrosius:
ut
divinae
lectionis
exemplo
utamur,
„damit
wir
uns
das
Beispiel
der
Heiligen
Schrift
zunutze
machen, [6]
oder
der
heilige
Augustinus:
aliter
invenerit
in
lectione
divina,
„auf
andere
Weise
wird
man
es
in
der
Heiligen
Schrift
finden.“ [7] Das ist die einzige Bedeutung
des
Begriffs
lectio
divina
in
der
Zeit
der
Väter,
und
daher
will
ich
ihn
in
diesem
Artikel
auch
nur
in
diesem
Sinn
gebrauchen,
außer
wenn
ich
auf
das
zeitgenössische
Verständnis
eingehe.
Ich
will
nicht
von
einer
besonderen
Observanz
sprechen,
welche
die
Schrift
als
ihr
Objekt
hat,
sondern
von
der
Heiligen
Schrift
selbst
als
einer
Schule
des
Lebens
und
deshalb
Schule
des
Gebets
für
die
ersten
Mönche. Lesung ? Außerdem
verwirrt
es,
wenn
man
bei
den
Vätern
von
einem
„Lesen“
der
heiligen
Schrift
spricht.
Ein
eigentliches
Lesen,
wie
wir
es
heute
verstehen,
muss
damals
in
Wirklichkeit
sehr
selten
gewesen
sein.
Die
Mönche
des
Pachomius
zum
Beispiel,
die
zum
größten
Teil
aus
dem
Heidentum
kamen,
waren
verpflichtet,
beim
Eintritt
ins
Kloster
lesen
zu
lernen,
falls
sie
es
nicht
schon
konnten,
um
die
Heilige
Schrift
„lernen“
zu
können.
Ein
Text
aus
der
Regel
sagt,
es
dürfte
keinen
im
Kloster
geben,
der
nicht
wenigstens
das
Neue
Testament
und
die
Psalmen
auswendig
könne.
Wenn
sie
einmal
gelernt
waren,
wurden
diese
Texte
der
Stoff
für
die
meletè,
eine
beständige
meditatio oder ruminatio den ganzen Tag und ein Gutteil der Nacht hindurch, im persönlichen
wie
im
gemeinschaftlichen
Gebet.
Dieses
Wiederkäuen
der
Schrift
wird
nicht
als
mündliches
Gebet
aufgefasst,
sondern
eher
als
ein
beständiger
Kontakt
mit
Gott
durch
sein
Wort.
Eine
beständige
Aufmerksamkeit,
die
von
selbst
zum
ständigen
Gebet
wird.
Eine
Geschichte
aus
dem
Apophtegmata zeigt deutlich die nur relative Bedeutung des
Lesens
im
Vergleich
zur
absoluten
Bedeutung
des
Inhalts
der
Heiligen
Schrift: „Man erzählte von Abba Serapion,
dass
er
in
Alexandria
einmal
einen
Armen
traf,
der
völlig
nackt
war
und
vor
Kälte
schier
verging.
Da
sagte
er
zu
sich:
‚Das
ist
Christus,
und
ich
bin
ein
Mörder,
wenn
er
stirbt,
weil
ich
nicht
versucht
habe,
ihm
zu
helfen.‘
So
legte
Serapion
alle
seine
Kleider
ab
und
gab
sie
dem
Armen.
Ein
Passant
traf
ihn
nackt
auf
der
Straße,
nur
das
Evangelienbuch
unter
dem
Arm,
und
fragte:
‚Abba
Serapion,
wer
hat
dich
deiner
Kleider
beraubt?‘
Und
Serapion
zeigte
ihm
das
Evangelium
und
sagte:
‚Dieser
hier
hat
mich
meiner
Kleider
beraubt!“
Dann
geht
er
weiter
und
begegnet
einem,
der
ins
Gefängnis
abgeführt
wird,
weil
er
seine
Schulden
nicht
bezahlen
konnte.
Serapion
wird
von
Mitleid
gepackt
und
gibt
ihm
das
Evangelium,
damit
dieser
es
verkaufen
und
so
seine
Schulden
bezahlen
kann.
Als
Serapion
zitternd
vor
Kälte
ins
Kellion
zurückkehrt,
fragt
ihn
sein
Schüler,
wo
er
die
Tunika
gelassen
habe,
und
Serapion
antwortet,
sie
sei
dort,
wo
sie
nötiger
gebraucht
werde
als
an
seinem
Leib.
Auf
die
zweite
Frage
des
Schülers
‚Und
wo
ist
dein
Evangelium?“
antwortet
Serapion:
‚Ich
habe
den
verkauft,
der
mir
beständig
auftrug:
„Verkaufe
deine
Güter
und
gib
(den
Erlös)
den
Armen“
(Lk
12,33).
Ich
habe
es
den
Armen
gegeben,
damit
ich
am
Tag
des
Gerichts
größere
Zuversicht
haben
kann.“ [8]
Wir sahen schon zu Beginn,
dass
Antonius,
der
von
Geburt
an
Christ
war,
eine
Bekehrung
zum
asketischen
Leben
erfuhr
durch
die
lectio
divina
oder
sacra
pagina,
die
er
während
der
Liturgiefeier
in
seiner
örtlichen
Kirchengemeinde
verkündet
hörte. Pachomius dagegen, der aus einer heidnischen Familie Ober-Ägyptens
stammt,
wurde
zwar
ebenfalls
durch
die
Heilige
Schrift
bekehrt,
aber
durch
die
Schrift,
wie
sie
verstanden
und
gedeutet
und
gelebt
wurde,
Fleisch
geworden
im
konkreten
Leben
der
christlichen
Gemeinde
von
Latopolis,
die
das
Evangelium
lebte.
Sie
kennen
die
Geschichte:
Der
junge
Pachomius
wurde
zum
römischen
Heeresdienst
eingezogen
und
auf
ein
Schiff
verfrachtet,
das
ihn
mit
den
anderen
Rekruten
nach
Alexandria
bringen
sollte.
Eines
abends
legte
das
Schiff
in
Latopolis
an,
und
als
man
die
Eingezogenen
für
die
Nacht
ins
Gefängnis
geworfen
hatte,
brachten
die
Christen
des
Ortes
den
Eingesperrten
Speis
und
Trank.
Das
war
die
erste
Begegnung
des
Pachomius
mit
Christen. Für Antonius, der wie kein anderer das Einsiedlerleben verkörpert,
wie
auch
für
Pachomius,
den
Repräsentanten
des
Zönobitenlebens,
ist
die
Heilige
Schrift
vor
allem
eine
Lebensregel.
Ja,
sie
ist
sogar
die
einzige
wahre
Regel
für
den
Mönch.
Weder
Antonius
noch
Pachomius
haben
eine
“Regel“
in
dem
Sinne,
wie
die
spätere
monastische
Überlieferung
sie
verstand,
geschrieben,
wenn
auch
eine
gewisse
Zahl
von
praktischen
Anweisungen
von
Pachomius
und
seinen
Nachfolgern
später
unter
der
Bezeichnung
„Regel
des
Pachomius“
zusammengetragen
und
überliefert
worden
sind.
3.
Die
Heilige
Schrift
als
einzige
„Regel“
des
Mönchs Einige
Brüder
baten
den
Altvater
Antonius
um
ein
„Wort“.
Er
antwortete
ihnen:
„Ihr
habt
die
Schrift
gehört?
Die
sollte
euch
genügen.“ [9]
Ein anderer fragte ihn: „Was muss ich tun, um
Gott
zu
gefallen?“
Der
Alte
antwortete:
„Achte
auf
meinen
Rat:
Wohin
auch
immer
du
gehst,
halte
dir
stets
Gott
vor
Augen.
Was
auch
immer
du
tust, tu es dem Zeugnis der Schriften gemäß.“ [10]
In diesem kurzen Apophtegma können wir sofort drei Dinge
feststellen.
Erstens:
der
Mönch,
der
Antonius
diese
Frage
stellt,
sucht
nicht
eine
theoretische
oder
abstrakte
Unterweisung.
Seine
Frage
ist
vielmehr
ganz
konkret
und
praktisch:
„Was
muss
ich
tun?“
–
Was
muss
ich
tun,
um
Gott
zu
gefallen?
Diese
demütig-fragende
Haltung
findet
man
durchgehend
in
den
Apophtegmen.
Die
Antwort
des
Antonius
ist
zweifach:
Man
gefällt
Gott,
wenn
man
Ihn
immer
vor
Augen
hat,
das
heißt,
wenn
man
ständig
in
der
Gegenwart
Gottes
lebt.
Das
ist
die
Vorstellung
der
Wüstenväter
vom
immerwährenden
Gebet,
und
dieses
ist
nur
möglich,
wenn
man
sich
durch
die
Heilige
Schrift
leiten
lässt.
Antonius
spricht
hier,
wohlgemerkt,
nicht
vom
Lesen
oder
Betrachten
der
Schrift,
sondern
von
einem
wirklich
Tun:
alles
soll
entsprechend
dem
Zeugnis
der
Schriften
getan
werden. Eines Tages fragte Theodor,
der
Lieblingsschüler
des
Pachomius,
mit
dem
Eifer
eines
Neugetauften:
Wie
viele
Tage
soll
man
während
des
Pascha
ohne
Essen
verbringen?
Das
heißt,
wann
man
während
der
Karwoche
fasten
solle.
Die
kirchliche
Vorschrift
und
der
allgemeine
Brauch
sahen
vor,
Karfreitag
und
Karsamstag
völlig
ohne
Nahrung
zu
bleiben,
aber
manche
verbrachten
auch
drei
oder
vier
Tage
in
absolutem
Fasten.
Pachomius
riet
ihm,
die
Regel
der
Kirche
zu
beobachten,
also
nur
zwei
Tage
ohne
Nahrung
zuzubringen,
damit
er
noch
die
Kraft
habe,
„ungehindert
durch
Schwächeanfälle
die
Dinge
zu
vollbringen,
die
uns
in
der
Heiligen
Schrift
vorgeschrieben
sind:
unablässiges
Gebet,
Nachtwachen,
Rezitieren
des
Gesetzes
Gottes
und
Handarbeit.“ Vor allem aber war es
den
Vätern
in
der
Wüste
wichtig,
die
Bibel
nicht
nur
zu
lesen,
sondern
zu
leben!
Freilich,
um
sie
zu
leben
muss
man
sie
kennen.
Und
wie
alle
Christen,
so
lernte
der
Mönch
die
Schrift
in
erster
Linie
dadurch,
dass
er
sie
in
der
liturgischen
Versammlung
hörte.
Daneben
lernte
er
die
wichtigsten
Teile
der
Heiligen
Schrift
auswendig,
um
sie
den
Tag
hindurch
meditieren,
„wiederkäuen“
zu
können.
Schließlich
hatten
manche
auch
zu
den
Handschriften
der
Bibel
Zugang
und
konnten
sie
für
sich
lesen.
Aber
dieses
private
Lesen
war
nur
eine
Form
unter
anderen
und
nicht
notwendigerweise
die
wichtigste,
wie
man
sich
beständig
vom
Wort
Gottes
herausfordern
ließ.
4.
Die
Hermeneutik
der
Wüste Die wenigen Geschichten,
die
ich
erzählte,
geben
uns
bereits
einen
Einblick
in
die
Kraftlinien
dessen,
was
man
die
„Hermeneutik“
der
Wüstenväter
nennen
könnte
–
einer
Hermeneutik,
die
zwar
gewiss
niemals
in
abstrakte
Prinzipien
gefasst
und
explizit
formuliert
wurde,
aber
nichtsdestoweniger
doch
eine
Hermeneutik
ist.
Die
großen
Meister
der
modernen
Hermeneutik,
die
eine
jede
Interpretation
als
ein
„Gespräch“
zwischen
dem
Text
und
dem
Leser
oder
Hörer
betrachten
und
für
die
jede
Interpretation
normalerweise
zu
einer
Verwandlung
oder
Bekehrung
führen
sollte,
haben
nichts
erfunden!
Sie
haben
nur
einen
Ausdruck
geprägt
für
eine
Realität,
die
die
Wüstenväter
gelebt
haben
–
allerdings
ohne
sie
ausdrücken
zu
können,
oder
jedenfalls,
ohne
sich
Gedanken
darüber
zu
machen,
wie
man
sie
formulieren
sollte. In der Wüste wird die Heilige Schrift fortwährend interpretiert.
Diese
Interpretation
aber
schlägt
sich
nicht
in
Homilien
oder
Schriftkommentaren
nieder,
sondern
im
Tun
und
in
Gesten,
in
einem
heiligmäßigen
Leben,
das
sich
verwandeln
lässt
durch
den
beständigen
Dialog
des
Mönches
mit
der
Schrift.
Die
heiligen
Texte
hören
nicht
auf,
immer
bedeutsamer
zu
werden,
nicht
nur
für
diejenigen,
die
sie
hören
und
lesen,
sondern
auch
für
diejenigen,
die
diesen
Mönchen
begegnen,
die
die
Texte
in
ihrem
Leben
haben
Fleisch
annehmen
lassen.
Der
Mann
Gottes,
der
das
Wort
Gottes
assimiliert
hat,
ist
zu
einem
neuen
„Text“
geworden,
zu
einem
neuen
Gegenstand
der
Interpretation.
In
diesen
Zusammenhang
übrigens
müssen
wir
die
Tatsache
einordnen,
dass
das
Wort
eines
Altvaters
für
ebenso
wirkmächtig
gehalten
wurde
wie
das
Wort
der
Schrift. Oben erwähnte ich das Apophtegma von Antonius, in dem er
sagt:
„Ihr
habt
die
Schrift
gehört?
Die
sollte
euch
genügen.“
Tatsächlich
waren
die
Brüder
aber
nicht
zufrieden
damit
und
sagten:
„Vater,
wir
wollen
aber
auch
ein
Wort
von
dir!“
Antonius
antwortete
ihnen:
„Das
Evangelium
sagt:
Wenn
jemand
dich
auf
die
rechte
Wange
schlägt,
halte
ihm
auch
die
andere
hin.“
Sie
sagten:
„Das
können
wir
nicht!“
Der
Alte
antwortete
ihnen:
„Wenn
ihr
ihm
nicht
die
andere
hinhalten
könnt,
so
erlaubt
ihm
wenigstens,
euch
auf
die
eine
Backe
zu
schlagen.“
„Noch
nicht
einmal
das
können
wir!“
–
„Wenn
ihr
selbst
das
nicht
könnt,
so
vergeltet
nicht
Böses
mit
Bösem.“
Und
sie
antworteten:
„Auch
das
können
wir
nicht.“
Da
sagte
der
Altvater
zu
seinem
Schüler:
„Bereite
ein
wenig
Hirsebrei
für
sie,
denn
sie
sind
krank.
Wenn
ihr
das
nicht
tun
könnt
und
jenes
nicht
tun
wollt,
was
kann
ich
für
euch
tun?
Ihr
habt
Gebet
nötig!“
5.
Söhne
der
Kirche
von
Ägypten
und
Alexandria Diese Art und Weise, die
Heilige
Schrift
als
eine
Lebensregel
zu
verstehen,
war
im
übrigen
aber
nicht
nur
den
Mönchen
zu
eigen.
Wir
dürfen
nicht
vergessen,
dass
die
Wüstenväter,
die
wir
aus
den
Apophtegmata
Patrum,
auch
den
Schriften
des
Pachomius,
des
Palladius
und
des
Johannes
Cassian
kennen,
vor
allem
ägyptische
Mönche
vom
Ende
des
dritten
und
Anfang
des
vierten
Jahrhunderts
sind.
Diese
Mönche
sind
Söhne
der
Kirche.
Sie
gehören
zu
einer
besonderen
Kirche,
der
ägyptischen,
die
in
der
spirituellen
Überlieferung
von
Alexandria
geformt
ist. Der Mythos, dass die meisten der ersten Mönche, angefangen
mit
Antonius,
unwissend
und
des
Lesens
und
Schreibens
nicht
kundig
gewesen
seien,
hält
den
wissenschaftlichen
Forschungen
nicht
mehr
stand.
Viele
neuere
Studien,
vor
allem
die
von
Samuel
Rubenson
über
die
Briefe
des
Antonius,
haben
gezeigt,
dass
Antonius
und
die
ersten
Mönche
der
ägyptischen
Wüste
die
geistliche
Lehre
der
Kirche
von
Alexandrien
assimiliert
hatten.
Diese
war
noch
immer
tiefgehend
geprägt
von
der
Unterweisung
der
Meister
der
alexandrinischen
Schule,
insbesondere
von
der
mystischen
Inspiration
ihres
berühmtesten
Meisters,
des
großen
Origenes. Die Kirche von Alexandrien war entstanden aus der ersten
Generation
von
Christen
im
Herzen
einer
hoch
gebildeten
jüdischen
Diaspora,
die
nach
dem
Geschichtsschreiber
Plinius
ungefähr
eine
Million
Mitglieder
gezählt
haben
muss.
Das
erklärt
auch,
warum
die
Kirche
von
Alexandria
und
von
Ägypten
von
Anfang
an
eine
sehr
betont
juden-christliche
Ausrichtung
verfolgte.
Zugleich
erklärt
es
die
Offenheit
gegenüber
der
biblischen
und
mystischen
Überlieferung,
welche
die
juden-christlichen
Gemeinden
der
ersten
Generation
von
Christen
geprägt
hatte.
Die
„Schule
der
Wüste“
stellt
in
vielerlei
Hinsicht
in
der
Einsamkeit
ein
treues
Abbild
jener
Schule
von
Alexandrien
dar,
in
der,
wie
wir
wissen,
Origenes
mit
seinen
Schülern
schon
eine
Form
monastischen
Lebens
führte,
in
dem
sich
alles
um
das
Wort
Gottes
drehte.
Nach
einer
schönen
Beschreibung
des
heiligen
Hieronymus
wechselte
diese
Lebensführung
Tag
und
Nacht
hindurch
ständig
zwischen
Gebet
und
Lesung,
Lesung
und
Gebet
ab. [11]
Und
das
war
keineswegs
eine
Besonderheit
Ägyptens!
Fast
zur
gleichen
Zeit
formulierte
der
heilige
Cyprian
von
Carthago
eine
Regel,
die
später
von
fast
allen
lateinischen
Vätern
zitiert
werden
sollte:
„Entweder
bete
eifrig
oder
lies
eifrig;
sprich
gelegentlich
zu
Gott,
und
dann
horche
wieder
auf
Gott,
der
zu
dir
spricht.“ [12] Daraus entstand die klassische
Formel:
„Wenn
du
betest,
sprichst
du
zu
Gott;
wenn
du
liest,
spricht
Gott
zu
dir.“ Wenn auch nicht jeder ägyptische Mönch ein Evagrius war
und
vielleicht
auch
nur
wenige
Origenes
im
Urtext
gelesen
haben
dürften,
so
bleibt
doch
die
Tatsache
bestehen,
dass
sie
in
der
christlichen
Spiritualität
herangebildet
wurden
durch
die
Unterweisung
von
Hirten,
die
stark
beeinflusst
waren
von
der
Ausrichtung,
die
Origenes
der
Kirche
von
Alexandrien
gegeben
hatte
durch
die
Katechetenschule,
deren
Leiter
er
dort
so
lange
Jahre
gewesen
war.
Dies
erklärt
die
solide
biblische
Spiritualität
des
ursprünglichen
Mönchtums
in
Ägypten.
Man
könnte
natürlich
sofort
einwenden,
dass
Schriftzitate
im
großen
und
ganzen,
doch
selten
genug
in
den
Apophtegmata
zu
finden
sind,
selbst
wenn
sie
in
den
pachomianischen
Schriften
sehr
viel
häufiger
vorkommen.
Die
Antwort
muss
lauten,
dass
die
Heilige
Schrift
so
sehr
die
Lebensweise
dieser
Asketen
geprägt
und
geformt
hatte,
dass
es
überflüssig
schien,
auch
noch
Abschnitte
aus
ihr
zu
zitieren.
Der
Mönch
war
ein
pneumatophoros, ein „Geistträger“, weil er der Schrift entsprechend
lebte
und
daher
vom
gleichen
Geist
erfüllt
war,
der
die
Schrift
inspiriert
hatte.
Den Kern dessen,
was
man
heute
lectio
divina
nennt,
nämlich
das
Verlangen,
sich
vom
Feuer
des
Wortes
Gottes
herausfordern
und
umwandeln
zu
lassen,
kann
man
nur
verstehen,
wenn
man
wahrnimmt,
dass
diese
Überlieferung
über
die
ersten
Mönche
hinaus
auf
die
Praxis
der
frühen
christlichen
Asketen
der
ersten
drei
Jahrhunderte
zurückgeht,
die
wiederum
ihre
Wurzeln
in
der
jüdischen
Überlieferung
hatte. In der katechetischen Unterweisung seiner örtlichen Gemeinde
hatte
der
junge
Mönch
schon
gelernt,
dass
er
geschaffen
war
als
Bild
und
Gleichnis
Gottes,
und
dass
die
ursprüngliche
Gottähnlichkeit
durch
die
Sünde
deformiert
wurde
und
daher
reformiert
werden
muss.
Er
muss
er
eine
Umformung
erfahren,
muss
sich
neu
formen
lassen
nach
dem
Bild
Christi.
Durch
das
Wirken
des
Heiligen
Geistes
und
durch
ein
Leben
nach
dem
Evangelium
wird
die
Ähnlichkeit
mit
diesem
Bild
allmählich
wiederhergestellt.
So
kann
er
Gott
erkennen
lernen.
Wir sahen, dass nach Cassian das Ziel des Mönchslebens das
immerwährende
Gebet
ist.
Er
beschreibt
es
als
ein
beständiges
Gewahr-sein
des
Gegenwart
Gottes,
das
durch
die
Reinheit
des
Herzens
ermöglicht
wird.
Man
erreicht
diese
Reinheit
des
Herzens
nicht
durch
diese
oder
jene
Observanz,
nicht
einmal
durch
das
Lesen
und
Meditieren
der
Heiligen
Schrift,
sondern
indem
man
sich
umwandeln
lässt
durch
die
Schrift.
Der
Kontakt
mit
dem
Wort
Gottes
–
gleichgültig,
ob
dieser
durch
die
Schriftlesung
in
der
Liturgie, durch die Unterweisung eines geistlichen Vaters,
durch
das
private
Lesen
eines
Textes
oder
einfach
durch
das
Wiederkäuen
eines
Verses
oder
einiger
Worte,
die
man
auswendig
weiß,
zustande
kommt
-
dieser
Kontakt
ist
der
Ausgangspunkt
für
ein
Gespräch
mit
Gott.
Dieses
Gespräch
kommt
zustande
und
intensiviert
sich
in
dem
Maß,
wie
der
Mönch
eine
gewisse
Reinheit
des
Herzens
erlangt
hat,
eine
Einfalt
des
Herzens
und
Lauterkeit
der
Absicht,
und
auch
in
dem
Maß,
in
dem
er
sich
der
praktischen
Mittel
bedient,
um
die
Reinheit
des
Herzens
zu
erreichen
und
zu
bewahren.
Dieses
Gespräch,
in
dessen
Verlauf
das
WORT
unablässig
den
Mönch
zur
Bekehrung
herausfordert,
unterstützt
die
beständige
Achtsamkeit
auf
Gott,
die
die
Väter
als
unablässiges
Gebet
bezeichneten
und
die
das
große
Ziel
ihres
Lebens
war. Für die Mönche der Wüste ist die Lektüre des Wortes Gottes
nicht
einfach
eine
religiöse
Übung,
genannt
lectio divina, die allmählich Geist und Herz für die meditatio und dann für die oratio bereitet, in der Hoffnung, schließlich
einmal
zur
contemplatio
zu
gelangen
…
möglichst
ehe
die
halbe
Stunde
oder
Stunde
der
lectio vorbei ist … Für die Wüstenmönche
ist
der
Kontakt
mit
dem
WORT
eine
Berührung
mit
dem
Feuer,
das
brennt,
verstört,
mit
Gewalt
zur
Bekehrung
drängt!
Kontakt
mit
der
Heiligen
Schrift
ist
für
sie
nicht
eine
Gebetsmethode,
sondern
eine
mystische
Begegnung.
Und
diese
Begegnung
erschreckt
sie
oft,
macht
ihnen
Angst,
denn
sie
spüren,
was
sie
von
ihnen
fordert.
6.
Ein
hermeneutischer
Zirkel:
Praxis
und
Theorie Die Heilige Schrift nimmt
jedes
Mal,
wenn
wir
sie
lesen,
eine
neue
Bedeutung
an.
Auch
hier
stimmt
die
moderne
Hermeneutik
mit
den
Intuitionen
der
Wüstenväter
überein.
Diese
würden
sich
nämlich
völlig
mit
dem
Ausspruch
des
heiligen
Augustinus
identifizieren,
der
gesagt
hat:
„Gestern
hast
du
ein
wenig
verstanden,
heute
verstehst
du
etwas
mehr,
morgen
wirst
du
noch
mehr
verstehen:
das
Licht
Gottes
selbst
wird
stärker
in
dir.“ [13]
Für die Mönche der Wüste haben die Worte der Schrift – ebenso
wie
übrigens
auch
die
die
Worte
der
Altväter
–
stets
die
begrenzte
Dimension
der
jeweiligen
Begebenheit,
in
der
diesem
einzelnen
Wort
zuerst
begegnete
und
erkannte,
was
es
bedeutete,
überschritten. Ein solches „Wort“ ließ ein Universum von Bedeutung
aufstrahlen,
in
das
sie
dann
einzutreten
versuchten.
Der
Ruf,
alles
zu
verkaufen,
den
Erlös
den
Armen
zu
geben,
dem
Evangelium
zu
folgen
(Mt
19,21),
die
Mahnung,
niemals
die
Sonne
über
seinem
Zorn
untergehen
zu
lassen
(Eph
4,25),
das
Gebot
der
Liebe
–
alle
diese
Texte
formten
das
Leben
der
Wüstenväter
auf
besondere
Weise.
Sie
entwarfen
ihnen jenes „Universum an Bedeutung“, in das sie eintreten,
das
sie
sich
aneignen
wollten.
In
der
Wüste
bestand
die
Heiligkeit
darin,
diesem
Universum
von
Möglichkeiten,
das
aus
den
heiligen
Texten
entsprang,
eine
konkrete
Form
zu
geben,
indem
man
diese
Texte
durch
das
tägliche
Leben
interpretierte
und
zur
Wirklichkeit
werden
ließ. Abba Nesteros sagt uns, dass wir Eifer haben müssen, die
heiligen
Schriften
der
Reihe
nach
auswendig
zu
lernen
und
sie
unaufhörlich
im
Gedächtnis
zu
wiederholen.
Diese
unablässige
Meditation
wird,
wie
er
sagt,
für
uns
doppelte
Frucht
tragen:
Erstens
wird
sie
uns
vor
bösen
Gedanken
bewahren.
Und
dann
wird
die
ständige
Rezitation
oder
Meditation,
das
„Murmeln“
der
Schriftworte,
uns
zu
ständig
neuen
Einsichten,
zu
immer
tieferem
Verstehen
führen.
Dann
sagt
Nesteros
diesen
wunderbaren
Satz:
„In
dem
Maß,
wie
unser
Geist
sich
erneuert
durch
dieses
Studium,
in
dem
Maße
beginnen
auch
die
Schriften
ein
neues
Gesicht
anzunehmen.“ [14]
Es
wird
uns
geschenkt,
dass
wir
immer
mehr
von
den
Geheimnissen
erkennen,
deren
Schönheit
wächst,
wenn
wir
Fortschritte
machen:
Je
mehr
wir
die
Heilige
Schrift
in
die
Praxis
umsetzen,
umso
tiefer
werden
wir
sie
verstehen. Wir können hier nochmals den Vergleich zu dem modernen Zugang
eines
Ricoeur
etwa
ziehen,
der
sagt:
Sobald
ein
Text
aus
der
Hand
des
Autors
hervorgegangen
ist,
nimmt
er
eine
eigene
Existenz
an
und
bekommt
jedes
Mal,
wenn
er
gelesen
wird,
eine
neue
Bedeutung,
da
jedes
Lesen
schon
eine
Interpretation
ist,
die
eine
der
fast
unendlichen
Möglichkeiten,
die
in
dem
Text
enthalten
sind,
offenbart. Nach der modernen Methode der lectio divina sollten wir langsam lesen und bei jedem Vers lang genug
verweilen,
dass
er
Geist
und
Herz,
und
vielleicht
sogar
die
Gefühle,
nähren
kann.
Wenn
dann
die
Gefühle
abgekühlt
oder
die
Aufmerksamkeit
erloschen
ist,
sollten
wir
zum
nächsten
Vers
übergehen.
Die
ersten
Mönche
dagegen
blieben
bei
dem
einen
Vers,
solange
sie
ihn
noch
nicht
in
die
Praxis
umgesetzt
hatten.
Zum
Beispiel
kam
einer
zu
Abba
Pambo
und
bat
ihn,
er
solle
ihn
einen
Psalm
lehren.
Pambo
begann,
ihm
den
Psalm
38
beizubringen.
Aber
kaum
hatte
er
den
ersten
Vers
ausgesprochen:
„Ich
sprach,
ich
will
auf
meine
Wege
achten
und
eine
Wache
an
meinen
Mund
stellen,
damit
ich
nicht
sündige
mit
meiner
Zunge…“,
da
unterbrach
ihn
der
Bruder.
Er
wollte
weiter
nichts
hören
und
sagte:
„Dieser
Vers
genügt
für
mich!
Gebe
Gott,
dass
ich
Kraft
genug
habe,
das
zu
lernen
und
zu
praktizieren!“
Neunzehn
Jahre
später
versuchte
er
es
noch
immer
…
[15]
In
ähnlicher
Weise
bat
jemand
den
Abba
Abraham,
der
nicht
nur
ein
Mann
des
Gebets,
sondern
auch
ein
ausgezeichneter
Schreiber
war,
er
möge
ihm
doch
den
Psalm
33
abschreiben.
Er
schrieb
nur
den
Vers
15:
„Wende
dich
ab
vom
Bösen
und
tue
das
Gute;
suche
den
Frieden
und
jage
ihm
nach.“
Dann
sagte
er
zu
dem
Bruder:
„Verwirkliche
das,
und
dann
schreibe
ich
dir
das
Übrige
ab.“ [16]
Die Bibel ist für die Väter nicht etwas, was man mit dem
Verstand
kennt
und
begreift,
nicht
einmal
mit
der
Herzen,
wie
wir
heute
gern
sagen
(wobei
wir
aber
oft
genug
das
biblische
Verständnis
des
Herzens
verwechseln
mit
einer
sehr
viel
jüngeren
und
ein
bisschen
sentimentalen
Auffassung
von
„Herz“).Was
die
Väter
angeht,
so
meinen
sie,
dass
man
die
Bibel
in
dem
Maß
kennt,
als
man
sie
so
weit
assimiliert
hat,
dass
sie
ins
Leben
übersetzt
wird.
Jede
andere
Kenntnis,
die
nicht
dazu
führt,
ist
nutzlos.
7.
Die
Schrift
verstehen Das alles will aber nicht
heißen,
dass
wir
nicht
auch
mit
dem
Verstand
an
die
Heilige
Schrift herangehen sollen. Es ist den Mönchen wichtig,
den
wörtlichen
Sinn
der
Schrift
zu
verstehen,
ehe
sie
beginnen,
sie
auf
sich
anzuwenden.
In
den
pachomianischen
Klöstern
zum
Beispiel
gab
es
jede
Woche
drei
Katechesen,
in
deren
Verlauf
entweder
der
Obere
des
Klosters
oder
der
jeweilige
Hausobere
bei
der
Synaxis
die
Heilige
Schrift
auslegte.
Danach
besprachen
die
Brüder
miteinander,
was
sie
verstanden
hatten,
um
sicherzustellen,
dass
ein
jeder
es
richtig
aufgefasst
hatte. Die Auslegung eines
schwierigen
Textes
fordert
eine
Anstrengung
des
Verstanden.
Aber
diese
Anstrengung
würde
nichts
nützen
ohne
das
göttliche
Licht,
und
um
dieses
muss
man
im
Gebet
bitten.
In
diesem
Sinne
sollte
das
Gebet
sowohl
der
lectio vorangehen als auch ihre Frucht
sein.
Als
einmal
zwei
Brüder
den
Altvater
Antonius
über
die
Bedeutung
eines
schwierigen
Textes
aus
dem
Buch
Levitikus
befragten,
bat
Antonius
sie,
ein
bisschen
zu
warten.
Dann
ging
er
und
betete
und
bat
Gott,
ihm
Mose
zu
schicken,
dass
dieser
ihn
den
Sinn
dieses
Textes
lehre. [17] Schon vor ihm hatte Origenes
ebenso
gehandelt
und
seine
Schüler
gebeten,
mit
ihm
gemeinsam
im
Gebet
um
das
Verständnis
eines
besonders
schwierigen
heiligen
Textes
zu
flehen,
damit
er,
wie
er
sagte
die
„geistliche
Erbauung“
finde,
die
darin
enthalten
sei. [18]
Man
beachte
den
Ausdruck
„im
Text
enthalten“:
die
spirituelle
Bedeutung
der
Heiligen
Schrift
ist
nicht
etwas
künst-lich
Hinzugefügtes,
sondern
etwas,
das
im
Text
enthalten
ist
und
entdeckt
werden
muss. In derselben Linie
schrieb
auch
der
große
Isaak
von
Niniveh:
„Nähere
dich
den
Worten
der
Schrift,
die
voller
Geheimnis
sind,
nicht
ohne
Gebet
…
Sprich
zu
Gott:
‚Herr,
lass
mich
die
Kraft
wahrnehmen,
die
hier
zu
finden
ist‘.“ [19]
Was
wir
in
einem
Text
zu
finden
hoffen,
ist
nicht
eine
abstrakte,
immaterielle
Bedeutung,
sondern
eine
Kraft,
die
imstande
ist,
den
Leser
umzuwandeln. Die modernen Theorien
über
die
lectio
divina
betonen
im
allgemeinen
die
Tatsache,
die
lectio
sei
etwas
völlig
anderes
als
das
Studium.
Die
Väter
würde
eine
solche
Unterscheidung
und
eine
solche
Unterteilung
in
verschiedene
von
einander
getrennte
Bereiche
überhaupt
nicht
verstanden
haben.
Ihr
Zugang
zur
Heiligen
Schrift
war
ganzheitlich
und
einheitlich:
Ein
jedes
Bemühen,
die
Schrift
zu
lernen,
zu
verstehen
und
in
die
Praxis
umzusetzen
war
einfach
nur
das
Bemühen,
mit
Gott
ins
Gespräch
zu
kommen
und
zuzulassen,
dass
er
einen
verwandle
in
diesem
Dialog,
der
zum
unablässigen
Gebet
wird.
Weder
sie
noch
Origenes,
und
erst
recht
nicht
Hieronymus,
für
den
galt:
„die
Schrift
nicht
kennen
heißt,
Christus
nicht
kennen,“ [20]
[21]
hätten
Verständnis
gezeigt
für
ein
Studium
der
Heiligen
Schrift,
das
nicht
eine
persönliche
Begegnung
mit
dem
lebendigen
Gott
darstellte. Für Hieronymus
ist
der
„Sitz“
des
Gebetes
nicht
in
erster
Linie
das
Herz,
sondern
vielmehr
der
Verstand,
von
dem
aus
es
ins
Herz
sinkt.
Es
ist
notwendig,
zuerst
Gott
zu
kennen,
um
ihn
lieben
zu
können.
Wer
ihn
wahrhaft
kennt,
kann
gar
nicht
anders
als
lieben!
Von
daher
ist
es
nötig,
die
Schrift
tiefgehend
zu
studieren
und
sie
mit
dem
Verstand
zu
begreifen.
Marcella
hatte
mehr
als
alle
anderen
Jünger
und
Jüngerinnen
des
Hieronymus
die
Heilige
Schrift
tiefgreifend
studiert
und
mit
aller
Hingabe
gelesen.
Er
sagte
von
ihr:
„Sie
hatte
verstanden,
dass
die
Meditation
nicht
darin
besteht,
Schrifttexte
zu
wiederholen
…
Denn
sie
wusste,
dass
sie
nur
dann
verdiente,
die
Schriften
zu
verstehen,
wenn
sie
die
Gebote
ins
Leben
übersetzt
hatte.“
Johannes Cassian
hatte
zur
Zeit
des
Evagrius
mehrere
Jahre
in
den
Wüsten
Ägyptens
gelebt
und
kann
als
ein
guter
Wortführer
für
die
Spiritualität
der
Wüstenväter
gelten.
Er
unterscheidet
zwei
Weisen
des
Wissens,
praktikè
und
theoretikè.
Letztere
ist
die
Schau
göttlicher
Dinge
und
das
innere
Verstehen
der
heiligsten
Bedeutungen.
Diese
theoretikè
gnosis
oder
Schau
göttlicher
Dinge
nennt
er
auch
„die
wahre
Kenntnis
der
Schriften“,
die
er
in
zwei
Teile
aufgliedert:
die
geschichtliche
Deutung
und
die
geistliche
Auslegung.
Beide
aber,
die
eine
wie
die
andere,
gehören
zu
Kontemplation,
zur
Schau.
Cassian
fügt
hinzu:
„Wenn
du
die
wahre
Wissenschaft
und
Kenntnis
der
Heiligen
Schrift
erlangen
willst,
beeile
dich
zu
erst,
dir
eine
unerschütterliche
Demut
des
Herzens
anzueignen.
Diese
wird
dich zur echten Wissenschaft führen, nicht zu jener,
die
aufbläht,
sondern
zu
der,
die
erleuchtet
durch
eine
verzehrende
Liebe.“ [22]
Nicht
die
Methode
der
Lesung
und
Auslegung
entscheidet
also
darüber,
ob
das
Schriftstudium
ein
kontemplatives
Tun
ist
oder
nicht,
sondern
die
Haltung
des
Herzens.
8.
Das
Vorverständnis
und
die
Vätersprüche Die Hermeneutik von Ricoeur
lehrt
uns,
dass
man
bei
der
Lektüre
eines
antiken
Autors
nicht
so
sehr
in
Beziehung
tritt
mit
den
Gedanken
des
Autors
als
vielmehr
mit
der
Wirklichkeit
selbst,
von
welcher
der
Autor
spricht.
Man
kann
daher
unmöglich einen Text verstehen ohne ein Vor-Verständnis.
Es
besteht
darin,
dass
der
Leser
bereits
eine
gewisse
Beziehung
hat
zu
der
Wirklichkeit,
von
der
in
diesem
Text
gesprochen
wird.
Bei
Cassian
finden
wir
eine
ähnliche
Intuition
gegen
Ende
der
10.
Unterredung.
Nachdem
Abba
Isaak
davon
gesprochen
hat,
mit
welchen
Mitteln
man
zum
reinen
Gebet
gelangt,
fügt
er
hinzu: „Zum Leben gebracht durch
diese
Nahrung
der
Heiligen
Schrift,
von
der
er
sich
unaufhörlich
ernährt,
dringt
der
Beter
durch
bis
in
alle
Gemütsregungen,
die
in
den
Psalmen
ausgedrückt
sind,
so
dass
er
sie
nicht
mehr
als
vom
Propheten
gedichtet
singt,
sondern
als
ob
er
selbst
der
Autor
wäre
und
als
sein
ganz
persönliches
Gebet
…
Das
ist
es
ja
in
der
Tat,
was
uns
die
Heilige
Schrift
in
aller
Klarheit
enthüllt,
und
es
wird
uns
ihr
Herz
und
in
gewisser
Weise
ihr
Mark
gezeigt,
wenn
unsere
Erfahrung
uns
nicht
nur
erlaubt,
die
Bedeutung
zu
erkennen,
sondern
uns
genau
diese
Erkenntnis
schon
vorwegnehmen
lässt,
indem
uns
der
Sinn
der
Worte
nicht
durch
irgendeine
Erklärung,
sondern
dadurch,
dass
wir
selbst
sie
erprobt
haben,
bekannt
gemacht
wird
…
Belehrt
durch
das,
was
wir
selbst
fühlen,
sind
die
Dinge,
die
wir
vom
Hörensagen
lernen,
eigentlich
nicht
wirklich
für
uns.
Aber
wir
untersuchen
gewissermaßen
die
Wirklichkeit
in
ihnen,
um
in
ihre
Tiefen
vorzustoßen.
Sie
haben
keineswegs
die
Wirkung
wie
etwas
dem
Gedächtnis
Anvertrautes,
sondern
wie
bringen
sie
aus
der
Tiefe
unseres
Herzens
hervor
als
natürliche
Gefühle,
die
Teil
unseres
Wesens
sind.
Nicht
das
Lesen
ist
es,
was
uns
den
Sinn
der
Worte
durchdringen
lässt,
sondern
die
Erfahrung,
die
wir
gesammelt
haben.“ [23]
Es gibt kein Verständnis
und
keine
Interpretation
ohne
ein
Vorverständnis.
Von
diesem
Blickwinkel
aus
ist
es
klar,
dass
das
Leben,
das
die
Mönche
in
der
Wüste
führten,
ein
völlig
dem
Schweigen,
der
Einsamkeit
und
der
Askese
gewidmet
war,
schon
ein
Vorverständnis
darstellte,
das
ihr
Schriftverständnis
in
einem
großen
Ausmaß
konditionierte.
Das
Schweigen
und
die
Reinheit
des
Herzens
wurden
als
Vorbedingungen
angesehen
dafür,
dass
man
die
Schriften
in
ihrem
vollen
Sinn
verstehen
und
auslegen
konnte. Bis zu einem gewissen
Punkt
kann
man
nur
das
verstehen,
was
man
bereits
lebt.
Darum
hat
der
heilige
Hieronymus
eine
Reihenfolge
festgelegt,
in
der
man
die
Heilige
Schrift
lernen
sollte:
zuerst
den
Psalter,
dann
die
Weisheit
Salomons
und
Kohelet,
schließlich
das
Neue
Testament.
Und
erst
dann,
wenn
die
Seele
durch
eine
lang
dauernde
Beziehung
liebender
Vertrautheit
mit
Jesus
Christus
vorbereitet
ist,
kann
man
auf
fruchtbare
Weise
an
das
Hohelied
herangehen. Die Wüstenväter
antworteten
manchmal
mit
einem
Schriftwort
auf
eine
Frage,
die
an
sie
herangetragen
wurde,
manchmal
aber
antworteten
sie
auch
mit
anderen
Worten,
denen
aber
die
Hörer
praktisch
die
gleiche
Bedeutung
zumaßen.
Sie
waren
überzeugt,
dass
die
Kraft
dieser
Worte
von
der
großen
Reinheit
herkam,
in
der
dieser
Mann
lebte,
der
sie
ausgesprochen
hatte
–
weil
er
selbst
von
der
heiligen
Schrift
verwandelt
worden
war.
9.
Die
moderne
Auffassung
von
der
lectio
divina Abschließend möchte ich
noch,
im
Licht
der
eben
dargelegten
Lehre
der
Wüstenväter,
einige
Überlegungen
zur
modernen
Auffassung
von
der
lectio
divina
anstellen. Was man heute lectio divina nennt, wird als eine Methode
präsentiert,
in
der
man
die
Heilige
Schrift
sowie
die
Kirchen-
und
Mönchsväter
liest.
Sie
besteht
in
einem
langsamen,
meditativen
Lesen
des
Textes,
ein
Lesen
„mehr
mit
dem
Herzen
als
mit
dem
Verstand“,
wie
man
sagt,
ohne
praktisches
Ziel,
sondern
einfach
um
sich
vom
Wort
Gottes
durchdringen
zu
lassen. Diese Methode hat, soweit es sich um eine Methode handelt,
ihre
Wurzeln
im
12
Jahrhundert
und
steht
nicht
beziehungslos
neben
dem,
was
man
heute
die
„Monastische
Theologie“
nennt.
In
jener
Epoche
hatten
die
Vorscholastiker
ihre
Methode
entwickelt,
die
von
der
lectio zur quaestio und
dann
zur
disputatio
führte.
Die
Reaktion
der
Mönche
darauf
war,
dass
sie
ihre
eigene
Methode
entwickelten:
die
lectio führte zur meditatio, diese dann zur oratio
…
und
ein
wenig
später
fügten
sie
noch
die
contemplatio
hinzu,
die
man
dann
von
der
oratio
unterschied.
Während
der
Zugang
der
Wüstenväter
zur
Heiligen
Schrift,
wie
ich
ihn
oben
beschrieb,
in
Wirklichkeit
eine
Weise
des
Lesens
war,
die
sie
mit
dem
ganzen
Volk
Gottes
gemeinsam
hatten,
beschränkte
der
neue
Zugang
oder
die
neue
„Methode“
–
denn
nun
handelte
es
sich
um
eine
„Übung“,
um
eine
wichtige
Observanz
der
monastischen
Daseinsweise
–
sich
auf
die
Klöster.
Und
wieder
eine
geraume
Zeit
später,
in
der
Bewegung
der
Devotio moderna, wurde die „geistliche
Lesung“
populär,
und
man
unterschied
sie
sorgfältig
von
der
monastischen
lectio divina. Mehr und mehr ging der allgemeine
Trend
dahin,
das
geistliche
Leben
zu
spezialisieren
und
in
wasserdichten
Abteilungen
abzuschotten. Es würde in diesem Artikel zu weit führen, diese lange Entwicklung
zu
analysieren.
Ich
möchte
mir
nur
ein
paar
Beobachtungen
erlauben.
Die
erste
ist,
dass
man
sich
allen
Ernstes
fragen
könnte,
wie
sich
die
theologische
Wissenschaft
wohl
entwickelt
hätte,
wenn
sich
die
Mönche
nicht
der
neu
aufkommenden
scholastischen
Methode
verschlossen
hätten.
Denn
was
man
heute
als
„monastische
Theologie“
bezeichnet,
hatte
bis
ins
12.
Jahrhundert
überhaupt
nichts
monastisches
an
sich,
sondern
war
ganz
einfach
die
Art
und
Weise,
wie
man
im
Volke
Gottes
Theologie
betrieb,
und
zwar
mit
ebenso
viel
Pluralismus
innerhalb
wie
außerhalb
der
Klöster.
Diese
einsichtsvolle
und
kontemplative
Weise,
in
der
man
bis
dahin
theologische
Wahrheiten
ausgedrückt
hatte,
wusste
die
Beiträge
der
unterschiedlichen
Methoden
und
verschiedenen
Ideen
und
Denkweisen
aufzunehmen
und
umzuformen
–
heute
würde
man
sagen:
zu
inkulturieren.
Man
kann
sich
legitimerweise
fragen,
wie
sich
die
Theologie
der
folgenden
Jahrhunderte
entfaltet
hätte,
wenn
die
Mönche
die
neue
Methode
ebenfalls
zu
assimilieren
verstanden
hätten,
wie
sie
schon
so
viele
andere
zuvor
assimiliert
hatten.
Jedenfalls
hielt
man
in
den
Klöstern
um
jeden
Preis
fest
an
einer
Weise,
Theologie
zu
treiben,
die
man
für
monastisch
hielt,
während
sich
in
den
Schulen
außerhalb der Klöster, an den Kathedralen und Universitäten,
die
scholastische
Theologie
entwickelte.
Bei
einem
Thomas
von
Aquin
wurde
diese
neue
Methode
sicherlich
noch
in
einer
zutiefst
kontemplativen
Perspektive
angewandt.
Bei
den
Kommentatoren
jedoch,
und
dann
bei
den
Kommentatoren
der
Kommentatoren,
wurde
sie
jedoch
immer
trockener. Ähnlich war die Situation beim Studium der Heiligen Schrift.
Bis
ins
12.
Jahrhundert
hatten
die
Mönche
die
vorherrschende
Rolle
in
der
Auslegung
und
im
Gebrauch
der
Heiligen
Schrift
gespielt,
obwohl
ihr
Zugang
ja
nicht
wesentlich
verschieden
war
von
dem
den
ganzen
Volkes
Gottes.
Als
sie
jedoch,
ohne
sich
selbst
ganz
darüber
im
klaren
zu
sein,
unter
den
Einfluss
der
neuen
Gedankenwelt
gerieten,
entwickelten
sie
ihre
eigene
Methode
des
Lesens,
parallel
zu
der
scholastischen,
und
seither
existieren
in
der
Kirche
zwei
deutlich
zu
unterscheidende
Zugänge
zur
Heiligen
Schrift:
der
eine
propagiert
ein
„Lesen
mit
dem
Herzen“
(und
vergaß
in
manchen
Epochen,
den
Verstand
mitzubringen),
der
andere
favorisierte
den
„wissenschaftlichen“
Zugang,
der
immer
trockener
wurde.
Andererseits
muss
man
feststellen,
dass
die
Mönche
selbst,
indem
sie
eine
eigene
Methode
der
lectio
entwickelten,
ebenfalls
schon
abhängig
waren
von
der
neuen
vorscholastischen
Mentalität,
die
eine
Methode
für
nötig
hielt.
Die
ersten
Mönche
hatten
keine
Methode.
Sie
besaßen
eine
Haltung
des
Lesens. Im Verlauf der Jahrhunderte haben die Mönche ihre charakteristische
Weise,
die
Schrift
und
die
Väter
zu
lesen
und
Theologie
zu
treiben
vergessen,
und
so
haben
sie
die
für
jedermann
allgemein
übliche
übernommen.
Es
war
also
nötig,
dass
die
Mönche
in
unserer
Zeit
zurückkehrten
zu
einer
anderen
Art
von
Theologie
als
die
scholastischen
Textbücher
boten,
und
dass
sie
wieder
eine
andere
Art,
die
Schrift
und
die
Väter
zu
lesen,
fanden
als
die
der
modernen
wissenschaftlichen
Exegese.
Hier
schulden
wir
Dom
Jean
Leclercq
großen
Dank
und
Wertschätzung,
dass
er
das
zeitgenössische
Mönchtum
in
diese
Richtung
gedrängt
hat.
Darüber
hinaus
könnte
man
sagen,
dass
die
Auffassungen
von
der
„monastischen
Theologie“
und
der
lectio
divina,
wie
wir
sie
heute
verstehen,
die
beiden
schönsten
Schöpfungen
von
Dom
Jean
Leclercq
sind. Es war entscheidend wichtig, wiederhole ich, dass das Mönchtum
im
ausgehenden
20.
Jahrhundert
diese
Art
und
Weise,
die
Schrift
zu
lesen
und
Theologie
zu
treiben,
wieder
entdeckte.
Aber
es
muss
noch
weiter
gehen:
Wir
müssen
erkennen,
dass
diese
Weise
der
Schriftlesung
und
der
Theologie
überhaupt
nicht
spezifisch
monastisch
sind.
Das
ganze
Volk
Gottes
muss
sie
wieder
entdecken,
denn
das
war
die
Weise,
wie
einst
das
ganze
Volk
Gottes
die
Heilige
Schrift
las
und
Theologie
trieb. Und wir müssen noch einen Schritt weiter gehen. Wir müssen
über
die
Trennung
des
monastischen
Lebens
vom
Leben
der
anderen
Christen
hinaus
gehen.
Wir
müssen
die
ursprüngliche
Einheit
wiederentdecken,
die
unterwegs
verlorengegangen
ist.
10.
Die
Lectio
divina
heute Es ist wahr, wir sollten
uns
freuen,
dass
die
lectio
divina
seit
ungefähr
vierzig
Jahren
im
Leben
der
Mönche
heute
und
auch
im
Leben
vieler
Christen
außerhalb
der
Klöster
wieder
einen
wichtigen
Platz
gewinnt.
Es
ist
aber
auch
wahr,
dass
die
gegenwärtige
Haltung
in
Bezug
auf
die
lectio nicht ganz ohne Gefahren ist. Es
besteht
nämlich
vor
allem
die
Gefahr,
dass
sehr
häufig
–
wenn
auch
manchmal
unmerklich
–
die
lectio
divina
in
eine
„Übung“
verwandelt
wird,
-
eine
Übung
unter
anderen,
selbst
wenn
man
sie
als
die
wichtigste
betrachtet.
Der
treue
Mönch
hält
jeden
Tag
eine
halbe
Stunde
oder
sogar
eine
ganze
Stunde
lectio divina, und dann macht er weiter
mit
seiner
geistlichen
Lesung,
seinen
Studien
und
seinen
anderen
Tätigkeiten.
In
dieser
halben
Stunde
(oder
Stunde)
nimmt
er
eine
Haltung
der
bedingungslosen
Offenheit
und
Achtsamkeit
im
Hören
auf
Gottes
Wort
an.
Und
dann
widmet
er
sich
den
Rest
des
Tages
hindurch
mit
derselben
rastlosen
Hektik,
demselben
Geist
des
Wettbewerbs
und
der
Konkurrenz,
derselben
Zerstreuung
seinen
übrigen
Tätigkeiten,
als
ob
er
nicht
ein
Leben
des
immerwährenden
Gebets
und
der
beständigen
Suche
nach
der
Gegenwart
Gottes
gewählt
hätte. Nicht nur, dass dies alles dem Geist der Wüstenmönche völlig
fremd
ist,
diese
Haltung
ist
ein
Widerspruch
in
sich,
wenn
man
sich
auf
das
wahre
Wesen
der
lectio
divina
besinnt.
Wesentlich
ist
für
die
lectio,
wie
sie
von
den
besten
Autoren
beschrieben
wird,
die
innere
Haltung.
Und
diese
Haltung
ist
nicht
etwas,
was
man
sich
für
eine
halbe
Stunde
oder
eine
Stunde
pro
Tag
anlegen
kann.
Man
hat
sie
entweder
die
ganze
Zeit
über
oder
überhaupt
nicht.
Sie
durchdringt
unseren
ganzen
Tag
–
oder
die
Übung
bleibt
bloß
ein
sinnloses
Spiel. Sich von Gott in Frage stellen lassen, sich herausfordern
und
formen
lassen
durch
alle
Elemente
des
Tages,
durch
die
Arbeit
wie
durch
die
Begegnungen
mit
den
Brüdern,
durch
die
harte
Askese
ernsthafter
intellektueller
Arbeit
wie
durch
die
Feier
der
Liturgie
und
durch
die
normalen
Spannungen
des
Gemeinschaftsleben
–
all
das
ist
schrecklich
anspruchsvoll.
Die
Haltung
völliger
Offenheit
zu
beschränken
auf
eine
privilegierte
Übung,
die
lectio,
die
dann
unseren
ganzen
übrigen
Tag
wie
von
selbst
durchdringen
soll
–
das
ist
vielleicht
doch
eine
allzu
einfache
Art
und
Weise,
vor
diesem
Anspruch
davonzulaufen. Für die Wüstenväter bildeten das Lesen, Meditieren, Beten,
Analysieren,
Auslegen,
Erforschen
und
Übersetzen
der
Heiligen
Schrift
ein
unteilbares
Ganzes.
Es
wäre
für
einen
Hieronymus
zum
Beispiel
undenkbar
gewesen,
das
seine
umfassende
Analyse
des
hebräischen
Textes
der
Schrift,
mit
der
er
alle
Nuancen
zu
entdecken
suchte,
ein
Tun
sein
sollte,
das
den
Namen
lectio divina nicht verdiente … Wir müssen uns gewiss glücklich schätzen, dass wir neu entdeckt
haben,
wie
wichtig
es
ist,
das
Wort
Gottes
mit
dem
Herzen
zu
lesen,
es
auf
eine
solche
Weise
zu
lesen,
dass
es
uns
umwandeln
kann.
Aber
ich
glaube,
dass
es
ein
Fehler
ist,
daraus
eine
Übung
zu
machen,
anstatt
mit
dieser
innerlich
achtsamen
und
hörenden
Haltung
die
tausendundeins
Facetten
unserer
Weise,
an
die
Schrift
heranzugehen,
zu
durchdringen.
Darüberhinaus
muss
man
sagen:
Der
Glaube,
dass
der
Schrifttext
mich
nur
dann
in
meinem
tiefen
inneren
Leben
treffen
kann,
mich
nur
dann
herausfordern
und
verwandeln
kann,
wenn
ich
dem
Text
„nackt“
gegenübertrete,
ohne
die
vielen
Werkzeuge
zu
benutzen,
mit
denen
ich
ihn
in
seinem
Literalsinn
und
seiner
primären
Bedeutung
begegnen
kann,
eine
solche
Überzeugung
läuft
Gefahr,
zu
einer
fundamentalistischen
Haltung
zu
führen
–
was
heutzutage
nicht
selten
vorkommt
–
oder
andererseits
zu
einem
falschen
Mystizismus
zu
führen,
was
ebenfalls
oft
genug
geschieht Da man heute allgemein
darin
übereinstimmt,
dass
nicht
nur
die
Heilige
Schrift,
sondern
auch
die
Kirchen-
und
Mönchsväter
Stoff
für
die
lectio
divina
sein
können,
erlaube
ich
mir
auch
dazu
noch
eine
Überlegung.
Die
monastische
Überlieferung
hat,
weil
sie
eine
lebendige
Interpretation
des
Wortes
Gottes
ist,
eine
der
Heiligen
Schrift
vergleichbare
Bedeutung,
wenn
auch
an
zweiter
Stelle.
Wie
sahen
ja,
dass
die
Wüstenväter
dem
Wort
oder
Beispiel
eines
Abba,
der
vom
Heiligen
Geist
erfüllt
und
verwandelt
war,
dieselbe
Macht
zusprachen
wie
dem
Wort
Gottes
oder
einem
Beispiel
aus
der
Bibel.
Aber
dieses
„lebendige
Wort“
der
monastischen
Überlieferung
muss
ebenfalls
ständig
neu
ausgelegt
und
interpretiert
werden. In unserer Zeit
haben
die
monastischen
Gemeinschaften
die
Väter
wiederentdeckt,
und
wir
können
diese
Neuentdeckung
nicht
genug
preisen.
Aber
die
Botschaft
der
Väter
ist
mehr
noch
als
die
der
Heiligen
Schrift
gekleidet
in
eine
bestimmte
Kultur,
die
nicht
–
wie
man
oft
meint
–
die
monastische
Kultur
schlechthin
ist
(als
ob
es
nur
eine
einzige
gäbe),
sondern
vielmehr
der
kulturelle
Kontext
der
jeweiligen
Epoche,
in
der
die
alten
Mönche
ihre
monastische
Berufung
lebten.
Der
moderne
Leser
muss
seine
kritische
Geistesverfassung
ablegen
und
sich
der
verwandelnden
Kraft
der
Gnade
aussetzen,
in
der
die
Väter
lebten
und
die
sie
uns
vermitteln.
Das
kann
er
aber
nur,
wenn
er
zuvor
mit
kritischer
Feinfühligkeit
das
kulturelle
Gewand
abgepellt
hat,
unter
dem
diese
kostbare
Nahrung
verborgen
ist. Wie es nicht nur
eine
einzige
christliche
Kultur
gibt,
parallel
zu
all
den
vielen
profanen
Kulturen,
sondern
viele
örtliche
Kulturen,
die
christianisiert
wurden,
und
zwar
in
unterschiedlichem
Maß,
so
gibt
es
auch
nicht
nur
eine
monastische
Kultur,
sondern
viele
verschiedene
Kulturen,
die
umgewandelt
worden
sind
durch
ihre
Begegnung
mit
dem
Charisma
des
Mönchtums.
Die
Väter
als
Stoff
für
die
lectio divina zu gebrauchen, erfordert
eine
ernsthafte
Arbeit
der
Exegese
und
des
Studiums,
um
die
Wirklichkeit
wieder
zu
erfassen,
die
jene
Väter
lebten
jenseits
der
kulturellen
Verkleidung.
Andernfalls
liest
man
nur
sich
selbst
und
seine
eigene
Meinung
in
die
Texte
hinein,
die
man
bewundert,
und
natürlich
bewundert
man
sie
umso
mehr,
je
mehr
man
von
sich
darin
findet! Der Mönch von heute
wird
herausgefordert,
zur
Umkehr
gerufen,
verwandelt
durch
die
Lektüre
der
Mönchsväter,
aber
nur
unter
der
Bedingung,
dass
er
sich
von
ihnen
berühren
lässt
in
allen
Aspekten
seiner
Erfahrungen
als
Mönch.
Und
das
wird
allein
in
dem
Maß
geschehen,
als
er
sich
mit
ihnen
vereint
im
Gesamten
ihrer
Erfahrungen.
Das
setzt
eine
detaillierte
Analyse
ihrer
Sprache
und
ihrer
Ausdrucksweise,
ihrer
philosophischen
und
theologischen
Gedankenwelt
und
des
kulturellen
Kontexts,
in
dem
sie
lebten,
voraus.
Es
scheint
mir
künstlich
und
sogar
gefährlich,
dieses
ernsthafte
Studium
von
der
eigentlichen
lectio divina zu unterscheiden
und
abzugrenzen,
als
ob
es
nur
ein
Vorspiel
zu
ihr
wäre.
Der
Mönch
von
heute
gehört
notwendigerweise
einer
bestimmten
Kultur
und
einer
Ortskirche
an,
also
einer
bestimmten
christlichen
Kultur.
Das
ist
die
Kultur,
die
in
ihm
der
monastischen
Überlieferung
begegnet
und
sich
von
ihr
herausfordern
und
verwandeln
lassen
muss.
Im
fürchte,
dass
wir
allzu
oft,
wenn
wir
an
die
Väter
herangehen,
die
Jungen
dazu
drängen,
die
monastische
Kultur
einer
vergangenen
Epoche
wie
ein
Gewand
überzuziehen,
und
damit
riskieren,
unsere
Klöster
in
kulturelle
Flüchtlingslager
umzuwandeln. Schluss Die Wüstenväter erinnern
uns,
dass
die
Heilige
Schrift
von
erster
und
grundlegender
Bedeutung
im
Leben
des
Christen
ist,
und
dass
es
für
uns
nötig
ist,
uns
fortwährend
umwandeln
zu
lassen
im
Schmelztiegel
des
Wortes
Gottes. Des weiteren lässt uns selbst ein so rascher Überblick über
ihre
Art,
mit
der
Heiligen
Schrift
umzugehen,
von
selbst
bestimmte
Aspekte
der
modernen
Auffassung
von
der
lectio
divina
in
Frage
stellen,
oder
genauer,
wirkt
als
ein
Anruf,
darüber
hinaus
zu
gehen,
um
die
Einheit
ihrer
gelebten
Erfahrungen
tiefer
zu
verstehen.
Der
Mönch
kann
sich
noch
weniger
als
jeder
andere
erlauben,
geteilt
zu
sein!
Schon
sein
Name
monachos
erinnert
ihn
unablässig
an
die
Einheit
von
Bestrebungen
und
Haltungen,
die
jenem
Mann
oder
jener
Frau
eigen
sind,
der
/
die
sich
entscheiden
hat,
eine
einzige
Liebe
zu
leben
mit
einem
ungeteilten
Herzen. [1] Vita Antonii 2 [2] Vita Antonii 3 [3] Vita Antonii 3 [4] Deutsche Übersetzung dieser beiden Unterredungen
unter
dem
Titel
Das
Glutgebet [5] De zelo et livore, cap.
16 [6] De bono mortis, cap. 1,
Abschn.
2 [7] Enarr. In psalmos, Ps. 36, sermo 3, Abschn.1) [8] Pat.Arm 13,8, R: III, 189 [9] Antonios 19 [10] Antonios 3 [11] Hoc diebus
egisse
et
noctibus,
ut
et
lectio
orationem
exciperet,
et
oratio
lectionem:
Brief
an
Marcella
43,1;
PL
22,
478. [12] Sit tibi vel oratio assidua vel lectio: nunc cum Deo loquere,
nunc
Deus
tecum:
Brief 1,15; PL 4, 221 B. [13] In Joh. Tract 14,5, CCL 36, S. 144, Zeilen 34-36. [14] Cassian, Conf. 14: scripturarum
facies
incipiet
innovari [15] Arm 19, 23 Aa: IV, 163. [16] Arm 10,67: III, 41 [17] Arm.12,1 B: II,148 [18] L. Doutreleau, Origène. Homélies sur la Genèse. Trad. et notes.
SC
7,
Paris
1943,
Hom.
2,3,
S.
96. [19] Vgl. J. Wensink, Mystic
Treatise
by
Isaac
of
Nineveh.
Amsterdam 1923, Abschn. 329, Kap. XLV, S. 220. [20] In Esaiam, Prol., CCL 73,2; CCL 78,66) [21] Ep 127,4. CSEL
56,148. [22] Ebd. [23] Coll. X,11
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