MONASTIC events
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Aus dem »BULLETIN DER A.I.M.« Die Monastische
Tagung
in
Kandy
(Sri Lanka) August 1980 Ein Beitrag
zur
Glaubwürdigkeit
des
Christentums
in
Asien [1] Die 1500-Jahr-Feier
der
Geburt
des
heiligen Benedikt, die überall in der
Welt
so
viele Begegnungen veranlaßt hat,
bot
auch
Mönchen und Nonnen der großen Bene-diktinerfamilie in Asien Gelegenheit, sich
in Kandy,
im
Herzen
von
Sri
Lanka,
wie
Ceylon
heute
heißt,
vom
18.
bis
24.
August
zu
versammeln.
Dieses
Treffen
lag
durchaus auf der Linie der
Besinnung
und
des Dialogs, wie er in Bangkok 1968
begonnen und in Bangalore 1973 weitergeführt worden war. Diesmal trafen
sich
etwa 70 Mönche und Nonnen, die 28
Kornmunitäten aus einem Dutzend asiatischer Länder vertraten:
von
Indien
und
Sri
Lanka bis Japan und den Philippinen.
Mit
den Repräsentanten der A.I. M. und
einigen Gästen aus Ost und West waren
es
insgesamt
ungefähr
80
Teilnehmer.
Der
Kongress stand
unter
dem
Vorsitz
von
Abtprimas Viktor Dammertz.
Anwesend
war auch der Generalabt der Silvestriner, Simon Tonini. Der Generalabt
der
Zisterzienser ("Trappisten"), D. Ambrose
Southey, hatte
als
Ko-Präsident
—
wie
bei
der Tagung in Abidjan 1979
(siehe
diese
Zeitschrift 1980, Heft 3, S. 226ff
—
fungieren sollen, konnte sich aber
wegen
des
bevorstehenden Generalkapitels seines
Ordens
nicht
freimachen.
Erfreulicherweise durfte
man
einige
Neugründungen
begrüßen, die erst nach Bangalore
entstanden sind, besonders in Indien
und
Malaysia. Hingegen herrschte Trauer über das Fehlen
der
Mönche
von
Kep
in
Kambodscha, deren Kommunität
durch
den
Krieg aufgerieben und so nach 25
Jahren
monastischen Lebens ausgelöscht
worden
war. Gegründet in Vietnam im Jahre
1950, war sie zwei Jahre später nach Kambodscha übergesiedelt.
Die
vietnamesischen Mönche wurden bereits
1970
ausgewiesen. 1975 wurde ein europäischer
Mönch hingerichtet, die anderen
vertrieben. Die drei letzten Mönche starben
1979
als Zeugen des Glaubens und ihres
monastischen Lebens. So fiel über das christliche Mönchtum in
Kambodscha
der
gleiche
dunkle Schleier des Schweigens,
der
dort
über der ganzen Kirche liegt. Unsere
Mitbrüder und Mitschwestern aus Vietnam
konnten nicht nach Kandy kommen,
aber
wir wissen, daß sie, wenn auch unter äußerst schwierigen
Umständen,
treu
und
tapfer ihr monastisches Leben
weiterführen.
Großherzig
haben
sie
sich
dareingefügt, fast
ihres
ganzen
Besitzes
beraubt
worden zu sein; so teilen
sie
die
harten
Lebensumstände ihres Volkes und
arbeiten bis zu acht Stunden täglich in den Reisfeldern.
Eine
Kommunität
von
Nonnen konnte sogar als solche weiterbestehen, weil sie schon lange vor der
kommunistischen Herrschaft ihr großes Kloster verlassen hatte,
um
arm
in
einem
Dorf
Leben und Arbeit mit der
Landbevölkerung zu teilen. Den Kommunisten
blieb
gar nichts anderes übrig, als hier die geradezu vorbildliche
Verwirklichung
ihres
eignen Ideals von Solidarität
zu
erkennenl
!
Wenngleich also niemand aus
Vietnam
in
Sri Lanka sein konnte, so hatten
wir
doch
eine Nonne aus diesem Lande unter
uns,
die derzeit in Afrika tätig ist. Zahlenmäßig am stärksten vertreten war Indien mit fast
20
Teilnehmern
und
natürlich Sri Lanka, wo die Silvestrinermönche
wirken und daher leicht Gelegenheit
hatten, an unseren Sitzungen teilzunehmen.
Die Silvestriner sind seit 1845
dort
in
Pfarreien und Schulen apostolisch
tätig.
Einer von ihnen, Mgr. Leo Nannayakkara,
seit vielen Jahren Bischof von Badulla,
nahm an dem Treffen dankenswerterweise
sehr aktiv teil. Der Prior des Klosters
von
Monte
Fano
und
seine
Kommunität
(nahe
bei dem Nationalen
Seminar
von
Kandy,
wo unsere Tagung stattfand)
boten
allen
Teilnehmern warmherzigste Aufnahme; er und seine Mitbrüder nahmen großzügig und wirkungsvoll die Lasten der materiellen Organisation auf sich. Während die Silvestriner von Sri Lanka mehr die aktive Seite benediktinischen Lebens darstellen, gehören mehrere Kommunitäten Indiens — vor allem die der Schwestern von Shanti Nilayam (Bangalore), die von P. Francis Acharya in Kurisumala (Kerala) und der Ashram von
P.
Beda
Griffith
von
Shantivanam
—
der
rein-kontemplativen
Richtung
an. Die Teilnahme
der
Zisterzienser
war
zahlenmäßig
schwächer
als
in
Bangkok
und
Bangalore.
Vor
allem
bedauerte
man
die
Abwesenheit
der
blühenden
und
zahlreichen japanischen
Kommunitäten.
Immerhin waren Dom Joseph Murphy von Southern Star (Kopua, Neuseeland) und Dom Francis Harjawiyata von Rawa Seneng (Indonesien) gekommen, die auch bei den ersten von der A. I. M. veranstalteten Tagungen in Asien dabeigewesen waren. Dom Benedikt Chao von Lantao (Hongkong) hatte sich zwar angemeldet, war aber im letzten Augenblick am Kommen gehindert. Gesamtthematik : Loslösung, Armut,
Teilen Die meisten
Länder
Asiens
sind
von
der
Geißel der Armut und des Elends
heimgesucht, einem der Schandflecke unserer
Gegenwart, der mehr oder weniger auf
der
ganzen Erde vorhanden ist. Selbst
wirtschaftlich hochentwickelte Länder wie etwa Japan kennen
Formen
der
Armut,
wie
sie
auch
in
den
reichen
Ländern
des
Westens vorkommen:
Freudlosigkeit,
Fehlen
familiärer Herzlichkeit, Mangel
an
geistigem
Ideal.
So
ist
es
nicht
überraschend,
daß die von
der
A.
I.
M.
veranstaltete
Umfrage die Armut zum
Gegenstand
der
Tagung von Kandy gewünscht hatte.
Zudem
ist dieses Thema ohnehin überaus wichtig für die religiösen
Traditionen
Asiens,
vor
allem im Hinduismus und Buddhismus,
die
indessen lieber von »Loslösung«
oder
von
der Nicht-Anhänglichkeit sprechen.
So
lautete denn auch das Thema, das
die
monastischen Oberen bei ihrer Begegnung beim Abtekongreß
1977
in
Rom
formuliert hatten: Nicht-Anhänglichkeit
—
Armut — Teilen. Der Begriff
»Armut«
ist
freilich
schillernd.
In unserer religiösen Sprache
meint
er
etwas ganz anderes als das, was man
gewöhnlich darunter versteht. Es gibt eine durchaus negative,
menschenunwürdige,
erniedrigende Armut als Frucht
der
Unterdrückung und der Egoismen einer
Minderheit, und es ist Pflicht von Christen, zusammen mit
allen
Menschen,
ihre
Opfer
davon zu befreien. Diese
herabwürdigende
Armut ist nicht nur materieller Natur; auch findet sie sich nicht nur in der Dritten Welt. Es gibt jedoch auch eine positive, eine evangelische Armut, wie Jesus sie geübt
und
uns
allen
zum
Vorbild
gesetzt
hat. Diese evangelische
Armut
ist
vor
allem
eine innere Haltung. Sie
bedeutet
Loslösung von allem, was nicht Gott ist,
Befreiung von aller Knechtschaft der
Sinne,
des Herzens und des Geistes. Dabei
handelt es sich keineswegs um eine
blutlose
Angelegenheit,
die
man
im
Innern
haben
könnte ohne
jeden
Verzicht
auf
materielle,
gefühls- oder verstandesmäßige
Güter.
Diese Vieldeutigkeit des
Armutsbegriffs
tauchte beim Gedankenaustausch unserer
Brüder und Schwestern Asiens in
Kandy
zuallererst auf. Manche von ihnen — keineswegs
solche,
die
eine
besonders
aktivistische oder gar revolutionäre
Vergangenheit hatten — betonten mit einer
Leidenschaft, die von Herzen kam und
in
langer
betender
Erfahrung
gereift
war,
daß es weder
erlaubt
noch
überhaupt
möglich sei, evangelische Armut
zu
leben,
ohne
sich mit der realen Armut der Menschen
um
uns
herum
zu
solidarisieren. Als die monastischen
Orden
aus
dem
Westen nach Asien kamen, gingen
sie
vornehmlich in ländliche Gegenden.
Trotz
löblicher Opfer und bei allem guten Willen führten
sie
dabei
einen
Lebensstil
ein,
der dem europäischen Niveau
eher
entsprach als dem der ansässigen Bevölkerung. Die Folge war, daß ein Novize,
der
ins Kloster kommt, einfach durch
die
Gegebenheiten, die er dort vorfindet, nicht gerade zu jener
inneren
Loslösung
motiviert wird, sondern eher
so
etwas
erfährt
wie
einen
materiellen
und
sozialen
Auf-
stieg. Die
meisten
Kommunitäten
haben
zwar alle möglichen Einrichtungen
geschaffen, um der Bevölkerung zu
helfen;
sie haben wirksam daran gearbeitet,
die
Lebensbedingungen zu verbessern, vor allem durch
technischen
Fortschritt
in
der
Landwirtschaft und durch
Bildungseinrichtungen.
Viele
—
oder
doch
einige
—
merken jedoch
heute,
daß
darin
eine
gewisse
Zweideutigkeit
enthalten
ist:
Denn
indem man alles
das
tut,
bleibt
man
selbst
innerhalb
der
Bevölkerung
eine
reiche
und
bevorrechtete
Minderheit
und
gehört
nicht
zu den 80 Prozent derer,
die
in
manchen
Ländern unter dem Existenzminimum
leben müssen. Antworten auf solche Fragen sind freilich
nicht
leicht,
aber
das
Problem
besteht. Es
ist
ein
Zeichen
für
den
hohen
Rang der Tagung von Kandy
und
für
die
große Reife des asiatischen Mönchtums
im allgemeinen, daß diese Fragen
kraftvoll
und ausgeglichen von den Mönchen
dieser
Länder vorgebracht werden konnten,
ohne Abwehrreaktionen hervorzurufen. Nicht wenige
Mönche
und
Nonnen
Asiens
hören heute den Ruf, die Armut
ihrer
Mitbürger auf sich zu nehmen und eine
der
ihren ähnliche Lebensweise zu führen.
Ja,
sie gelangen sogar allmählich zu
der
Überzeugung,
daß
diese
Teilhabe
nicht
genügt.
Ebenso wichtig
erscheint
es
ihnen,
dafür
Sorge zu tragen, daß die sozialen
und
politischen Strukturen, die überall
auf
der
Welt die Armut erst eigentlich erzeugen
und erhalten, umgewandelt und verändert
werden. So kann es paradoxerweise
dazu
führen,
daß
evangelische
Armut,
wenn
sie
von Christen
überall
echt
gelebt
würde,
zu
einem Werkzeug
tiefgehender
Umformung der sozialen und politischen
Verhältnisse führen könnte. Dazu freilich wäre die Solidarität aller vonnöten. In diesem
Rahmen
haben
nun
unsere
asiatischen Brüder und Schwestern
an
ihre
Brüder und Schwestern in den reichen
Ländern ihren Appell gerichtet,
der
einem
Aufschrei gleichkommt. Denn das
Elend
der Länder Asiens ist ja weithin eine Folge der Einwirkung
der
westlichen
(christlichen !) Kolonisation, die
das
ökologische
Gleichgewicht zerstört hat. Dieses
ruhte
auf Ernährungsweisen und jahrtausendealten landwirtschaftlichen Methoden,
an
deren Stelle nun — zu Nutz und Frommen
des Westens — Monokulturen getreten
sind. Solches Elend dauert an und
verstärkt sich noch durch das außer Gleichgewicht geratene
internationale
Wirtschaftssystem, das den reichen Ländern
gestattet,
immer reicher zu werden und ihren
hohen
Lebensstandard zu erhalten. Die Mönche und Nonnen
der
reichen
Länder
müssen
begreifen lernen, daß das
menschenunwürdige Elend von Hunderten von Millionen
Menschen
der
Preis
für
jenen
Wohlstand
und jene Vorteile
ist,
den
sie
dank
ihrer
eignen Gesellschaftsordnung
genießen
dürfen. Was ist da
zu
tun?
Gewaltsame
Revolutionen führen meist zu nichts
anderem
als
dazu, aus den Unterdrückten von
gestern
die Unterdrücker von heute zu machen.
Der Menschheit bleibt keine andere
Wahl
als diese: den Wettlauf nach den
materiellen Gütern und nach immer größerem Wohlstand zu stoppen und frei eine große Einfachheit des Lebens zu wählen, oder anders gesagt: Alle müssen sich dazu entschließen, einfacher zu leben, damit ein
jeder
einfach
leben
könne.
Die
Mönche,
aber
eigentlich
jeder
Christ,
müssen
sich
herausgefordert
fühlen,
die
evangelische
Armut
so
echt
und
ansteckend
zu
verwirklichen,
daß
dadurch
die
sozialen
Strukturen
umgewandelt
werden.
Freiwillige,
reale
Armut
ist
die
politische
Strategie,
die
den
Christen
am
Ende
des
20.
Jahrhunderts
als vielleicht letzte Chance angeboten wird, um ihre Glaubwürdigkeit zu beweisen. Ob sie aus dem Osten, ob sie aus dem Westen kommen — die Mönche, die von sich behaupten, daß sie alles verlassen haben, um Christus nachzufolgen, finden sich vereint, um diese Herausforderung anzunehmen und diese schwere Verantwortung zu tragen. Alle diese
Fragen
tauchten
bereits
am
ersten Tag des Kongresses
bei
der
Aussprache über das Thema »Armut im
Christentum« auf, das als eine Art allgemeine Einleitung
die
Tagung
eröffnen
sollte.
Es
wurde von P. Francis Acharya
von
Kurisumala vorgestellt, einem ehemaligen
Zisterzienser von Scourmont in Belgien,
der
seinerzeit mit P. Monchanin und
P.
Le
Saux (Abhishiktananda) 1955 nach Indien gegangen war
und
dort
bald
darauf
das
Kloster Kurisumala zusammen
mit
P.
Beda
Griffith gegründet hatte. Nach einer
Darstellung der radikalen Loslösung,
wie
sie
Altes und Neues Testament sowohl
wie
das
Beispiel
der
Väter
des
christlichen
Mönchtums fordern,
formulierte
P.
Francis für die Gruppenarbeit folgende Frage: Führt unser
monastisches
Leben,
so
wie
wir es praktizieren, zu solcher
Loslösung
?
Es war eine scharf zugespitzte Frage,
die
jene Erkenntnisse bewußt machen
sollte,
wie sie oben beschrieben wurden. Der zweite
Tag
unseres
Zusammenseins
war dem Thema »Armut in den nicht- christlichen Religionen« gewidmet. Die drei letzten Tage hatten folgende Fragen zum Gegenstand: »Armut und Lebensstil«, »Armut im sozio-ökonomischen Kontext« und schließlich »Armut
und
Gebet«. Armut in den nicht-christlichen Religionen Thomas Merton
war
in
seinen
letzten
Lebensjahren vom großen geistlichen
Reichtum der religiösen Traditionen des
Ostens,
besonders des Buddhismus, fasziniert
gewesen. Seine Anwesenheit bei dem
Kongreß in Bangkok 1968, wo er in die Ewigkeit abberufen
wurde,
trug
viel
dazu
bei,
dieses Treffen christlicher Mönche zu einem Dialog der Religionen auszuweiten. Beim Kongreß von Bangalore 1973, an dem auch einige Vertreter des Hinduismus und Buddhismus teilnahmen, verstärkte sich diese Tendenz. Bald danach schrieb der indessen verstorbene Kardinal Pignedoli, Präsident des Sekretariats für das Gespräch mit den Nicht-Christen, an den Abtprimas der Benediktinischen Konföderation mit der Bitte, die Mönche möchten eine führende Rolle in dem Dialog zwischen Christentum und den großen östlichen Religionen übernehmen, da das Mönchtum eine allen gemeinsame Dimension
sei.
Dom
Rembert
Weakland,
der
damalige
Primas,
beauftragte
nach
Befragung
des
Generalabtes
der
Zisterzienser
die
A.
I.
M.
mit
dieser
Aufgabe.
Es
wurden
daraufhin
zwei
Organismen
ins
Leben
gerufen,
eine
in
den
USA,
der
"North
American
Board
for
East
West
Dialogue"
(.N.A.B.E.W.D.),
eine
andere,
etwas
später,
in
Europa,
der
»Dialogue
Inter-Monastères« (D. I. M.). Gelegentlich
empfand
man
im
Leitungsgremium der A.I.M. ein gewisses
Unbehagen. Einige Mitglieder meinten, dieser interreligiöse
Dialog
ginge
über
die
Kompetenzen der A. I. M. hinaus,
der
Abtprimas Viktor Dammertz widmete daher
diesem Gegenstand einen sehr wichtigen Abschnitt seiner
Eröffnungsansprache
in
Kandy und ermunterte die A.I.M.
sowohl
wie die beiden genannten Unterorganisationen zu ihrer Aufgabe — mit der
Einschränkung freilich, sich auf den monastischen Aspekt
dieses
Dialogs
zu
konzentrieren,
also
auf
das
Gespräch
zwischen
christlichen
und
nicht-christlichen
Mönchen. Viele Gründe mögen für
eine
solche
Einschränkung sprechen; man muß
indessen bedenken, daß es verhältnismäßig leicht
ist,
zwischen
Mönchtum
und
Christentum
(wenigstens
im
Westen)
zu
unterscheiden,
daß
es
jedoch
für
die
großen
Religionen
Asiens,
besonders
für
den
Buddhismus,
der
eine
wesenhaft
monastische
Religion
ist,
große
Schwierigkeiten
mit
sich
bringt.
Und
wie
steht
es
mit
dem
Islam,
der
gegenwärtig
kein
Mönchtum
kennt,
es
aber
früher
gekannt
hat
und
dessen
»Sufismus
genannte
mystische
Tradition
viele
Berührungspunkte
mit
der
monastischen
Spiritualität
besitzt
—
Der
Abtprimas
erinnerte
auch
die
Mönche
und
Nonnen
Asiens,
die
ja
dort
in
enger
Fühlung
mit
der
großen
religiösen
Tradition
leben,
daß
ihnen
vor
allem
die
Aufgabe
des
interreligiösen
Dialogs
zufalle,
während
die
amerikanische
und
europäische
Gruppe
nur
subsidiär
zuständig
sei.
Am zweiten
Tag
des
Kongresses
in
Kandy
wollten wir hören, was unsere
nicht-christlichen Brüder über ihr Verständnis
der
Armut in ihren verschiedenen Religionen
zu sagen hätten : ein Hindu, ein
Buddhist
und ein Muslim. Der Ehrwürdige Anuruddha Thera, buddhistischer
Professor
an
der
Universität
von
Kelaniya,
konnte
nur
für
diesen
Tag
bei
uns
sein;
jedoch
der
Vertreter
des
Hinduismus,
Swami
Siddhinathananda vom Sri Ratnakrishna Ashram in Trichur, Kerala, und der muslimische Professor Jaffar Ali von Bangalore nahmen die ganze Dauer des Kongresses an unseren Arbeiten teil und gewannen alle Herzen durch ihre Einfachheit und Offenheit. Die meisten großen orientalischen Lehrer, denen man in Europa und Amerika begegnet,
scheinen
unfähig
zu
sein,
andere
Beziehungen
zu
stiften
als
die
zwischen
Meister
und
Jünger.
So
war
ich
persönlich
ergriffen
zu
sehen,
mit
welcher
Schlichtheit
Swami
Siddhinathananada
und
Prof.
Jaffar
Ali
sich
wie
alle
anderen
Teilnehmer in unsere Gruppenarbeit
einfügten. Zwar hatten bereits in Bangkok
und Bangalore Hindus und Buddhisten
teilgenommen, aber es war das erstemal
in
Kandy, daß auch ein Muslim zugegen
war.
Das
ist
um
so
bedeutsamer,
als
man
ja
zur
Zeit ein Erwachen
des
Islam
erlebt
—
ein
Erwachen übrigens aus tief
religiösen
Wurzeln, nicht zu verwechseln mit
dem
Fanatismus eines Khomeini oder Gadaffi. Der Radikalismus,
mit
dem
die
»sannyasis«
des Hinduismus
und
die
»bikkus«
des
Buddhismus die Loslösung von
allen
materiellen Dingen üben, muß den christlichen
Mönch nachdenklich machen und ihn
in
seinem Kampf um die Erlangung vollkommener Herzensreinheit
ermutigen.
Auch der Islam, der zwar das
Mönchtum
verwirft und in der Armut vor allem
ein
Krebsgeschwür sieht, von dem die
Gesellschaft befreit werden soll, hat zu Zeiten einzelne Fromme
gekannt,
die
freiwillige
Armut gewählt und großen Einfluß
auf
Volk und führende Schichten ausgeübt
haben. Prof. Jaffar Ali eröffnete
uns
auch
den Zugang zu der Art und Weise,
wie
der
Islam
die
ganze
Menschheit
als
eine
große
gottgehörige
Familie
versteht. Armut und Lebensstil Das Thema »Armut
und
Lebensstil«
wurde
von dem Zisterzienserabt
Francis
Harjawiyata
von
Rawa
Seneng,
Indonesien,
in
bündiger und
scharf
formulierter
Form
dargestellt
und
warf
so
viele
Fragen
auf,
daß
sich
mehrere
Generalkapitel
damit
befassen könnten. . . Der
Redner
ging
davon aus, daß monastische Armut und
Lebensstil für den Mönch die äußeren Ausdrucksweisen
einer
im
innersten
Herzen
ruhenden Wirklikeit sind:
des
vom
Heiligen Geist genährten Verlangens
nämlich, auf sich selbst und auf
alles
zu
verzichten und Gott in der Nachfolge
Christi zu suchen. Diesem tiefen
Verlangen hat Sankt Benedikt im 6. Jahrhundert einen sehr
konkreten
Rahmen
alltäglichen
Lebens
gegeben.
Die
Strukturen
benediktinischen
Lebens,
wie
die
abendländische
Tradition sie verstanden und
nach
Asien
zur
Zeit
der
monastischen
Gründungen
verpflanzt
hat,
enthalten
gewisse
Elemente, die im Kontext der Dritten
Welt
eine
wirkliche, von einer Gemeinschaft
gelebte
Armut zum Problem werden lassen.
Hier
einige Fragen, die P. Francis aufwarf: Müssen wir
das
Zönobitentum
als
Normalform monastischen Lebens
beibehalten
und das Eremitentum nur als Ausnahme
gelten lassen ? Oder sollten wir
dem
Eremitentum oder doch einer halberernitischen
Lebensweise
nicht
einen
größeren
Spielraum
gewähren?
Ist
es
wirklich
nötig, für jede gemeinsame Übung
einen
besonderen Raum zu bestimmen, in dem
man
sich nur zu bestimmten Stunden (manchmal nur für ein paar Minuten !) versammelt, oder
könnte
man
nicht
die
Möglichkeit
von
Mehrzweckräumen
ins
Auge
fassen, wie das
bei
den
armen
Leuten
und
in
manchen
nicht-christlichen
Klöstern
hierzulande üblich
ist?
Die
Liste
solcher
Fragen
war
viel
länger.
Aber
manche
Benediktiner
fanden,
daß
sie
eher
die
Zisterzienser beträfen, da mehrere
Anpassungsvorschläge bei den Benediktinern
in
Asien
bereits verwirklicht seien. Die Fragen
gingen
allerdings
weit
über
solche konkrete Einzelheiten
hinaus.
Die
gewöhnliche Einstellung ist
ja
die,
daß
man von der gegenwärtigen Gestalt
unseres traditionellen benediktinischen Lebens ausgeht
und
dann
überlegt,
wie
man
es
in
einer von Armut geprägten
Umwelt
in
angepaßterer Form verwirklichen könne. Wäre es nicht angemessener, von der Voraussetzung der gegebenen materiellen und kulturellen Verhältnisse aus jene Form christlichen Mönchtums zu entwerfen, die in diesen Raum und Rahmen hineinpaßt ? P. Francis stellt die Frage: Ist
unser
Mönchtum
christlich
oder
benediktinisch ? In der Tat, so lautet seine Antwort, ist es beides. Oder besser: Wir leben christliches Mönchtum in benediktinischer Gestalt. Doch gerade hier, so fährt er fort, liegt das große Problem. In welchem Umfang ist die benediktinische Prägung christlichen Mönchtums für uns wesentlich? Sind wir verpflichtet, sie beizubehalten? Oder sollten wir unser Augenmerk nicht eher auf die christliche Dimension unseres monastischen Lebens richten ? Mit anderen Worten: Ist das benediktinisehe Mönchtum für uns von so hohem Rang, daß wir es sorgfältig bewahren müßten? Oder ist es eher eine besondere Selbstdarstellung christlichen Mönchtums, die es mit Umsicht in einen anderen kulturellen Rahmen einzupassen gilt? Könnten in diesem Rahmen einer Akkulturation allenfalls gewisse wesentliche Elemente benediktinischen Lebens geopfert werden, um zu einer Form christlichen Mönchtums zu gelangen, die mehr auf das religiöse Empfinden der asiatischen Umwelt abgestimmt wäre ? Natürlich können solche Fragen nicht
ohne
weiteres
beantwortet
werden.
Immerhin ist es bemerkenswert, daß sie in ruhiger Art sowohl in den Arbeitsgruppen wie im Plenum behandelt werden konnten. Übrigens ist dieses Problem der Akkulturation nicht nur in Asien akut; es stellt sich auch in gleicher Weise und Schärfe in Afrika. Freilich hat es in Asien ein besonderes Gewicht, da die traditionellen Kulturen Afrikas kein organisiertes Mönchtum kennen, während Asien monastische Überlieferungen besitzt, die noch heute lebendig sind und mit ihren Wurzeln bis ins sechste Jahrhundert vor Christus (Jainismus und Buddhismus) oder gar ins zweite vorchristliche Jahrtausend (Hinduismus) zurückreichen. Lokale Bräuche in das europäische System des Mönchtums einzuschmelzen ist nicht einfach. Interessanterweise gehören die wenigen Klöster, in denen Akkulturationsversuche gemacht wurden, nicht den großen internationalen Orden an. Eine der Schwierigkeiten, die sich der Akkulturation entgegenstellen, ist die rasche Entwicklung der Bräuche, zum Teil
durch
westlichen
Einfluß,
zum
Teil
aber
auch
aus
tieferen
Gründen.
Daher
denn
auch
junge
Menschen
oft
eine
große
Enttäuschung
empfinden,
wenn
sie
den
Eindruck
bekommen,
man
wolle
einen
Schritt
zurück
machen
und
die
Entwicklung
ihrer
Gesellschaft
abbremsen.
Ein
europäischer
Oberer
teilte
beispielsweise
mit,
man
habe
in
seinem
japanischen
Kloster
vor
einigen
Jahren
den
traditionellen
Brauch
eingeführt,
sich
zum
Gebet
in
der
Kapelle
auf
Matten
am
Boden
zu.
setzen.
Doch
seien
die
jungen
Japaner
der
heutigen
Generation
dazu
gar
nicht
mehr
imstande,
weil
sie
seit
ihrer
Kindheit
stets
Stühle
benutzt
hätten! In der Tat
muß
eine
wirkliche
Akkulturationsbemühung viel tiefer
schürfen.
Es
ist
sicher,
daß
die
Novizen
weniger
psychologische Hemmungen
zu
überwinden
haben
und größere Leichtigkeit,
sich
einzufügen
und zu beharren, empfinden würden,
je
weniger das Gemeinschaftsleben von
fremden Elementen belastet wäre. Daher haben einheimische
Gründungen
oft
mehr
Berufe als solche, die von
außen
gekommen sind oder unter ausländischer
Leitung
stehen. Aber es ist auch wahr, daß
der
wesentliche Beitrag der Kulturen Asiens
und
Afrikas
zum
Mönchtum
auf
einer
anderen
Ebene liegen muß als nur auf der
von
Speisekarte,
Gewand,
Musikinstrumenten
und dergleichen. Er muß vielmehr das Niveau geistlicher
Erfahrung
erreichen,
wie
diese
aufgrund
eigenständiger
Gottesbegegnung
und
spezifischer
Einsicht
in
das
Wesen
von
Mensch
und
Welt
sowie
in
die
Beziehungen
zwischen
Gott,
Mensch
und
Welt
erwächst.
Das
zönobitische
Mönchtum
ist
in
den
meisten
Ländern
Asiens
vorhanden
und
voll
von
geistlichem
Leben.
Dennoch
kann
man
nicht
von
einem
christlichen
Mönchtum
sprechen,
das
asiatisch
im
eigentlichen
Sinne
wäre
—
oder
gar
indisch,
koreanisch,
indonesisch
etc.
Soll
man
sich
darüber
wundern?
Gibt
es
denn
nach
mehr
als
einem
Jahrhundert
monastischer
Präsenz
in
Nordamerika
ein
wirklich
eigenständiges
amerikanisches
oder
kanadisches
Mönchtum
?
Wiewohl
es
offenkundig eine amerikanische oder
kanadische Art und Weise gibt, das
europäische Mönchtum zu leben, das im vorigen Jahrhundert
dorthin
verpflanzt
worden ist. Man kann auch fragen,
ob
das
mittelalterliche europäische Mönchtum,
wie
es sich bis heute in Europa nach
seiner
Wiederbelebung im 19. Jahrhundert
erhalten hat, dem religiösen Empfinden und den geistlichen
Bedürfnissen
der
meisten
jungen Europäer besser entspricht
als
etwa jungen Menschen aus Sri Lanka
oder
Japan.
Ich
persönlich
glaube,
daß
auch
ein
junger Europäer
oder
Amerikaner,
der
die geistigen Kategorien,
die
Ausdrucksweise,
die
Gebräuche,
die
ganze
Weltanschauung, wie
sie
noch
heute
im
Westen
weitergetragen werden, sich
aneignen
will,
genauso aus seiner Kultur aussteigen
und
in eine ihm fremde Kultur hineinschlüpfen müßte wie
ein
junger
Afrikaner
oder
Asiate. Allenfalls ist die zu überwindende
Kluft im ersten Fall etwas weniger
breit.
Überdies
ist
diese
kulturelle
Übertragung
mit ihrer esoterischen
Tönung
vielleicht
reizvoller in einer Gesellschaft,
die
sich
ihrer Solidität und Überlegenheit
bewußt
ist, als in Gesellschaften, die
ernsthaft
um
ihre eigne Identität ringen müssen. Parallel zu
diesem
notwendigen
und
lobenswerten Bemühen, nationale
und
kulturelle Traditionen zu bewahren
oder
gar
zurückzugewinnen, geschieht überall
in
der Welt eine radikale Umwandlung
von
lokalen
Kulturen,
eine
Auflösung
festgelegter Strukturen,
Überlieferungen,
Glaubenshaltungen, Riten, sittlichen
Grundsätzen als Richtlinien für die Lebensgestaltung. Gleichzeitig keimt eine
neue
Weltkultur. Und damit meine ich eine neue Bewusstseinsbildung, eine neue Art
»Menschsein«,
und
nicht
etwa
nur
den
Verkauf von Coca-Cola unter allen Himmelsstrichen und alle anderen Formen westlichen oder östlichen Kulturexports. Ich frage mich, ob in diesem neuen kulturgeschichtlichen Kontakt die Bemühungen um die Entwicklung eines asiatischen oder afrikanischen Mönchtums, ähnlich wie die Schritte in Richtung auf eine indische, afrikanische, lateinamerikanische Kirche, nicht bereits zu spät kommen angesichts der historischen Entwicklung. Mir scheint, was heute von uns erwartet wird, ist eher der Eigenbeitrag aller und eines jeden zu einem neuen, allumfassenden ekklesialen Bewußtsein und zur Ausgestaltung eines vielfarbigen Mönchtums, das in diesem neu heranreifenden ekklesialen Bewußtsein tief verankert wäre. Um dieses Ziel zu erreichen, müßten die Mönche von allen Kontinenten und allen Ländern mit den tiefsten geistlichen Kräften und Überlieferungen ihrer Völker innigst verbunden sein. Armut im sozio-ökonomiscben
Kontext Dieses Thema
wurde
von
P.
Aloysius
Pieris, einem Jesuiten aus Sri Lanka,
Professor an der buddhistischen Universität
von Colombo und Direktor eines Zentrums für den Dialog zwischen Christen und Buddhisten
sowie
Herausgeber
einer
in Colombo erscheinenden Zeitschrift
»Dialog«, behandelt. P. Pieris griff
in
einer
noch
klarer
und
zugespitzteren
Form
die
oben genannten
Unterscheidungen
zwischen negativer und positiver
Armut
sowie zwischen den verschiedenen Aspekten
evangelischer Armut auf: asketischer Aspekt, Aspekt
der
Solidarität
und
des
Teilens, sozio-politische
Folgerungen
und
Forderungen. Besonders betonte er
den
durch alle Zeiten währenden Kampf zwischen dem »Abba«,
dem
Vatergott,
der
alle
Menschen liebt, und dem Götzen
»Mammon«.
Armut
als
Mangel
an
dem,
was
nötig ist, damit
der
Mensch
in
Würde
leben
könne, ist objektiv ein Übel
und
die
Frucht
der Sünde. Wenn jemand in der Nachfolge
Christi freiwillig die Armut als
Lebensstil
auf sich nimmt, dann erklärt er
sich
durch
eben dieses Tun für Gott und gegen
Mammon.
So
enthält
selbst
in
dieser
rein
asketischen Haltung — Herzensfreiheit
für
Gott
—
die
evangelische
Armut
bereits
ein
Element
der
Anklage
alles
dessen,
was
den
Kult des Mammons einschließt, eine Absage also an den Mißbrauch des Reichtums und an die Unterdrückung der Armen. Unter dem Gesichtspunkt der Solidarität
und
des
Teilens
darf
man
die
Armut
nicht
als
verdienstvolle
Liebestat
betrachten,
durch
die
man
sich
des
überflüssigen
begibt,
sondern
als
einen
Akt
strenger
Gerechtigkeit,
durch
den
man
die
vom
Vater
empfangenen
Güter
in
aus-
gleichender
Weise
unter
die
Kinder
Gottes
verteilt.
Haben
nicht
die
Kirchenväter,
lange vor Gandhi, gesagt, daß alles, was wir besitzen, den Armen gehört und nicht uns ? Wenn und wo soziale Strukturen Armut erzeugen und fortdauern lassen, muß jeder, der sich für Gott und gegen Mammon entschieden hat, diesen Strukturen den Kampf ansagen. Die politische Dimension evangelischer Armut erscheint somit als schlichte Folgerung aus den beiden anderen Aspekten. Wie es eine positive und eine negative Armut gibt, so ist es auch mit der Religiosität. Negativ ist jede Form von Religiosität, die sich auf Kompromisse mit Geld
und
Macht
einläßt
und
dadurch
sofort
versklavend
und
unterdrükkend
wirkt.
Positiv
ist
jene
Religiosität,
die
frei vom Mammon ist und daher selbst Freiheit bringt. Das große Problem
des
Christentums
in
Asien
ist
die
Glaubwürdigkeit.
Daher
muß
die
Kirche
wieder
lernen,
prophetische
Zeichen
zu
setzen.
Hier
nun
ist
der
Ort
des
Mönchtums.
Der
Mönch
muß
die
Synthese
zwischen
dem
positiven
Aspekt
der
Armut
und
dem
positiven,
befreienden
Aspekt
der
Religiosität
bewirken.
Wie
bei
Jesus
in
seiner
ersten
Taufe
im
Jordan
und
seiner
zweiten
Taufe
auf
Kalvaria,
sind
es
solche
prophetische
Zeichen,
die
unsere
Identität
sicherstellen
und
offenbar
machen. Armut und Gebet Die monastische
Zusammenkunft
in
Kandy ging nicht von abstrakten
Prinzipien
aus, um zu praktischen Konsequenzen
zu
gelangen. Vielmehr war es umgekehrt. Die Teilnehmer haben sich zuallererst mit der Tatsache der Armut von Hunderten von Millionen Menschen Asiens, die unter unwürdigen
Verhältnissen
leben,
konfrontiert
und
sich
dann
gefragt,
welche
Beziehung
bestehe
zwischen
dieser
wirklichen
Armut
und
ihrem
Armutsgelübde.
Das
führte
sie
dann
dazu,
eine
grundlegende
Veränderung
ihres
Lebensstils
ins
Auge
zu
fassen.
Dieser
Weg
führte
notwendig
zu
jener
Kontemplation,
die
eine
vollständige
Einsicht
in
die
Gesamtwirklichkeit
ermöglicht
und
eine
echte
Loslösung
bewirkt. Hier geschah ähnliches wie in Lateinamerika,
wo
man
auch
wahrnehmen
konnte,
daß
ein
mit
allen
Konsequenzen
gelebtes Engagement für die Befreiung der Unterdrückten zu den Höhen der Kontemplation führen kann. Das Thema »Armut und Gebet« wurde von einem Europäer behandelt, der, nach einem benediktinischen
Leben
in
England,
seit
mehr
als
25
Jahren
in
Indien
wirkt,
wo
er
zusammen
mit
P.
Francis
Acharya
das
Kloster
Kurisumala
gegründet
hat
und
nun
seit
1968
den
Ashram
von
Shantivanam
leitet.
P.
Beda
Griffith
hat
sich
die
kontemplative
Seele Indiens zutiefst angeeignet und ist heute eine Stimme, auf die man zum Thema Gebet vertrauensvoll hören darf. Gebet — oder
Kontemplation
—
ist
eine
Haltung des Empfangens und
der
Öffnung
Gott gegenüber, Diese Öffnung und
Bereitschaft des Herzens ist uns möglich in dem Maße, in
dem
das
Herz
von
materiellen Gütern, von Anhänglichkeit an die Familie, an sozialen Stand und an das eigne Ich frei geworden ist. Bei allem Nachdruck auf diese großen und wesentlichen Wahrheiten war indessen der Beitrag von P. Beda von durchaus praktischer Natur. Man hatte in den Tagen zuvor viel von Einfachheit
des
Lebens
und
von
Akkulturation
gesprochen.
P.
Beda
wollte
nun
ein
paar
Beispiele
für
die
Anpassung
monastischer
Strukturen
an
die
spirituellen
Traditionen
Indiens
geben,
um
so
der
Herzensfreiheit und somit der Reinheit des Betens Raum zu schaffen. Er sprach unter anderem vom Einsiedlerleben, vorn Wandermönchtum,
vom
Leben
eines
Ashram,
von.
der
Meditation
und
von
einer
der
einheimischen
Kultur
gemäßen
Liturgie.
In
unseren
Tagen
erwacht
da
und
dort
auch
im
Westen
wiederum
das
Einsiedlertum.
Sollte
man
diese
Entwicklung
nicht
gerade
in
Asien
fördern,
wo
das
Eremitentum
seit
Jahrtausenden
die
erste
und
normalste
Form
des
Mönchtums
gewesen
ist?
Der
Einsiedler
kann
ja
in
so
radikaler
Form
arm
sein,
wie
es
eine
Gemeinschaft,
zumal
eine
größere,
niemals
vermag.
Ferner:
So
wie
das
keltische
Mönchtum,
kennen
Hinduismus
und
Buddhismus
seit
ältester
Zeit
das
Wandermönchtum,
das
man
nicht
mit
dem Gyrovagentum verwechseln sollte, das Benedikt so scharf verurteilt. Der Wandermönch
hat,
nach
dem
Beispiel
Christi,
nichts,
wohin
er
sein
Haupt
betten
könnte.
Er
besitzt
nur
das
Gewand
und
die
Schale,
mit
der
der
Lebensunterhalt
für einen jeden Tag erbettelt wird. Er bleibt nur während der Regenzeit für länger in einem Kloster. Die Regeln schreiben vor, daß ein „sannyasi“ weder Heim noch Haus haben darf, also keine Familie. Er darf seine Nahrung erst erbetteln, wenn der Hausherr
seine
Mahlzeit
beendigt
hat.
Anders
als
der
Zönobit,
der
eine
große
materielle
Sicherheit
genießt,
lebt
ein
solcher
»sannyasi«
so
völlig
ungesichert,
daß
er
einzig
und
allein
auf
die
Vorsehung
verwiesen
ist.
Daher
denn
auch
sein
Herz
ganz
Erwartung
und
Bereitschaft
für
Gott
ist,
der
darin
Wohnung
nehmen
will.
Das
Leben
eines
solchen
Wandermönchs
ist
zweifellos
sehr
verschieden
vom
benediktinischen
Leben.
Aber
es
scheint,
als
wäre
es
eine
für
christliches
Mönchtum
in
Asien
notwendige
Form
neben
dem
Zönobitentum. Das andere Element,
das
christliches
Mönchtum mit Gewinn der Hindutradition entnehmen könnte, ist der Ashram.
Wenn man gemäß westlicher Tradition
eine monastische Gründung machen
will,
sammelt man zuerst Geld. Dann kauft man ein Stück Land,
errichtet
Gebäude,
organisiert einen landwirtschaftlichen
oder
industriellen Betrieb, um die
Einkünfte
zu
sichern. Dann versammelt man eine
Kommunität von Mönchen oder Nonnen, die dort wohnen
und
das
reguläre
Leben
beginnen
sollen.
Ein
Ashram
in
Indien
hingegen beginnt
völlig
anders
:
Zuerst
ist
da
ein Gottesmann,
ein
„sannyasi“
oder
Wandermönch, der ohne jegliches
Eigentum
von Dorf zu Dorf zieht. Er setzt
sich
in
das Dorfheiligtum oder vor irgendein
Haus, wo man ihn aufgenommen hat.
Er
nimmt die Nahrung entgegen, die man ihm bietet,
und
abends
spricht
er
vielleicht
zu den Leuten, die sich um
ihn
versammeln. Eines Tages werden ihn dann
einige
von ihnen bitten, einige Zeit bei
ihnen
zu
bleiben,
um
von
ihm
geistliche
Unterweisung zu empfangen.
Sie
bauen
ihm
eine
Hütte und darum herum andere
Hütten
für
sich selbst, und so ist ein Ashram
um
diesen Gottesmann herum entstanden.
Er
selbst hat dabei nichts anderes getan als gebetet und
seine
Jünger
im
Beten
unterwiesen. Ein Gebetszentrum also
—
das
ist
das
Wesen eines Ashram; eine Jüngergruppe
um
einen
heiligen
Mann,
dessen
Gebetsleben sie teilen,
dessen
Unterweisungen
sie
empfangen. Ist das nicht
genau
das,
was
sich zur Zeit des Antonius begeben
hat
oder auch mit Benedikt am Anfang
seines
Mönchslebens
? Ein Ashram
ist
eine
kleine
Gemeinschaft.
Er
wird
niemals
eine
große
Institution.
Er
ist eine Kommunität,
die
allen
offensteht:
Männern, Frauen und Kindern.
Das
Stillschweigen
ist
nicht
das
gleiche
wie
in
den
Kreuzgängen
großer
Abteien.
Aber
dem
Gebet entspringt, ganz ohne
Vorschriften,
ein echtes Schweigen des Herzens
und
auch die Stille der Räume. Das Gebet, das dem Ashram
eigentümlich
ist,
besteht
in
der
Meditation,
die
viel
mehr
Zeit
in
Anspruch
nimmt
als
das
liturgische
Beten.
Dieses fehlt dennoch nicht,
stets
begleitet
von körperlichen Gebetsgesten und
symbolkräftigem Beiwerk: Gaben der Natur wie Wasser,
Licht,
Blumen,
Weihrauch
und natürlich Musik. Es gibt schon
eine
größere
Zahl
christlicher Ashrams in Indien, und
die
indische
Bischofskonferenz hat Gründung und
Entwicklung solcher Häuser in einem Dokument aus
den
letzten
Jahren
ermutigt.
Hier ist eine vieltausendjährige
Tradition
indischer Religiosität vorhanden,
der
christliches Mönchtum in Indien
Beachtung schenken muß und die wohl auch der Religiosität
unserer
Zeit
in
vielen
anderen
Ländern entsprechen dürfte. In der Aussprache,
die
dem
Vortrag
von
P. Beda folgte, war viel
von
den
kleinen
Kommunitäten die Rede. Es besteht
eine
Neigung
zur
Einrichtung
kleinerer
Kommunitäten in
Anlehnung
an
größere
Klöster; diese könnten dann einen
sehr
einfachen Lebensstil im Einklang und Solidarität mit
der
Bevölkerung
wählen.
Mehrere Versuche in dieser
Richtung
sind
bereits gemacht worden; denn in
armen
Ländern ist es für eine große Kommunität wegen der Notwendigkeit
entsprechender
Gebäude und Einnahmequellen,
kaum
möglich in einer gemeinschaftlichen
Armut zu leben. Der Gedankenaustausch zeigte auch,
daß
vielfach
in
der
monastischen Welt der Wunsch vorhanden
ist,
über das Verhältnis von persönlichem
und
gemeinschaftlichem Gebet neu nachzudenken. Ein deutliches Zeichen der neuen Sensibilität
in
der
gesamten
Weltkultur,
von der bereits die Rede war,
ist
die
neue
Beziehung und das neue Gleichgewicht
zwischen der Glaubenserfahrung und
deren religiösem Ausdruck in Ritus und Kult. Hier
entspricht
die
Gewichtung
Benedikts zwischen persönlichem
und
gemeinschaftlichem
Gebet
nicht
mehr
der
religiösen
Sensibilität
und
den
geistlichen
Bedürfnissen
des
heutigen
Menschen,
den
es
mehr
nach
Innerlichkeit
als
nach
ritueller Übung verlangt. Alle diese
Überlegungen
warfen
unvermeidlich abermals die Frage
nach
dem
normativen Wert der Benediktusregel
auf.
Man wies darauf hin, daß in der
Praxis
aller unserer Kommunitäten die geistliche
Tradition, mittels derer wir die
Regel
interpretieren, nicht weiter als ein,
höchstens zwei Jahrhunderte zurückreicht.
Und wir lesen die Regel gern in
der
Absicht, darin jene Praxis bestätigt zu finden, die wir selber
üben,
Man
müßte
hingegen
in der Regel die befreiende
Kraft
wieder
zu entdecken versuchen, die sie
selbst
in
der möglichst weiträumigen Entfaltung
des Lebens entbinden will. Mit solchen
Gedanken
endete
diese
Woche
des gemeinsamen Suchens und
Überlegens.
Es blieb nur übrig, die Ergebnisse
in
einen
offiziellen Text einzubringen und
abschließend eine zusammenfassende Auswertung zu
versuchen
—
ein
Bemühen,
dem der letzte Nachmittag
gewidmet
war.
Der offizielle Text liegt in der
Botschaft
der Mönche Asiens an ihre Brüder
und
Schwestern in der monastischen Welt
vor.
Sie war von einer Gruppe redigiert
und
nach Diskussion im Plenum und kleinen
Kreisen
überarbeitet
und
schließlich
einstimmig verabschiedet
worden.
Mut
und
Strahlkraft dieses Textes
sind
deutliche
Zeichen für den großen geistlichen
Reichtum des Kongresses von Kandy [2]
. Auswertung Dom Jean Leclercq,
der
an
allen
drei
großen Tagungen des Mönchtums
in
Asien
wie auch bei vielen ähnlichen Kongressen,
die von der A.I.M. in verschiedenen
Erdteilen
veranstaltet
worden
waren,
teilgenommen hatte,
wurde
um
sein
Gesamturteil
gebeten.
Er
schilderte
den
langen
Weg,
den man zurückgelegt
hatte:
Bangkok
—
das war die Entdeckung von
Neuland,
Bangalore — hier setzte man schon
ein
paar
Schritte hinein ins Unbetretene,
Kandy
—
man gelangte zu tieferen Einblicken
und
fand zu den eignen Wurzeln. Diese
Fortschritte bezogen sich sowohl auf die Begegnung zwischen
Personen
wie
zwischen
Religionen. Zuerst lernte man
sich
kennen,
dann: sich lieben, und schließlich
war
dieses
liebende Einverständnis tief genug,
um
in
aller Gelassenheit objektiv und
kritisch
sein zu können. Kandy war, meint Dom Leclercq, weniger
spektakulär, dafür aber intimer,
weniger
theoretisch als praktisch. Man beurteilte
in
großer Freiheit unser Erbe und unsere
Geschichte. Im Blick auf die östlichen
Religionen kann man nun besser zwischen
Ideal und Wirklichkeit unterscheiden,
Man
bewundert weiterhin ihre Werte,
ohne
dabei die Probleme zu verkennen, die
letztlich von den unsrigen nicht allzu
verschieden
sind. Wir alle müssen
—
so
Dom
Leclercq
—
drei
Fragen stellen: 1, Was hat
der
Osten
dem
Westen
zu
bieten,
besonders
den
Tausenden jungen
Europäern
und
Amerikanern,
die dorthin kommen auf der
Suche
nach
sich
selbst und nach einer echten Spiritualität?
2. Was kann der \Vesten dem Osten
bieten, nicht zuletzt den Millionen von Asiaten, die in
Europa
und
Amerika
leben,
oft
genug
als
die
sozial
schwächsten
Gruppen
der Gesellschaft?
3.
Was
können
Osten
und Westen einer Konsumgesellschaft
entgegenhalten, deren zerstörerischer
Einfluß in allen Ländern der Welt zu
spüren
ist? Als Antwort auf diese letzte Frage müssen gerade wir Mönche durch unser Leben, unseren Glauben an ein höchstes Wesen — für
die
christlichen
Mönche
also
an
Gott,
den
liebenden
Vater
aller
Menschen
—
bekunden.
Mit
anderen
Worten:
Wir
müssen
durch
ein
Leben
der
Entsagung
unsere
totale
Gottsuche
glaubwürdig
bezeugen. Selbst gebeten,
auch
meine
Eindrücke
von
dieser Tagung zu formulieren,
vor
allem
unter gruppendynamischem Gesichtspunkt, machte
ich
unter
anderem
folgende
Bemerkungen: Die zahlenmäßige
Stärke
der indischen Teilnehmer war zweifellos
sehr positiv wegen der reichen Erfahrungen, die sie einbrachten. Doch wurde
dadurch die Aufmerksamkeit etwas zu aus- schließlich
auf
Indien
gerichtet,
und
die
andersartigen Erfahrungen
anderer
Länder kamen dabei ein wenig zu kurz.
Ebenso war der Beitrag der Teilnehmer
aus
Sri
Lanka sehr wertvoll, jedoch handelte
es
sich um den mehr aktiven Zweig benediktinischer Tradition, so daß die
kontemplativen Gemeinschaften, ohnehin in
der
Minderheit,
nicht
recht
zum
Zuge
kamen. Das Gleichgewicht
zwischen
Experten
aus
anderen Regionen und den Vertretern
der
asiatischen Kommunitäten war ausgewogener als in Bangalore. Dort war
eine
beachtliche Zahl sehr kompetenter
Fachleute
mit gelegentlich recht persönlichem
Stil
zu
Worte gekommen und hatte, ohne es
zu
wissen und zu wollen, den Gedankenaustausch monopolisiert.
Daher
entsprach
es
den Wünschen der Oberen aus
Asien,
daß
nach Kandy nur wenige Experten eingeladen worden waren, und diese waren
mehrheitlich selbst Mönche. Ihre Mitarbeit war zurückhaltend
und
das
Zusammenwirken
zwischen ihnen und den übrigen Teilnehmern erwies sich als fruchtbar,
Die
Vorträge, die jeden Tag das Gespräch
eröffneten, wurden stets von Mönchen gehalten, mit Ausnahme
des
Referats
von
P.
Pieris. Sie waren meist praktisch
und
anregend. Das Diskussionsklima blieb
immer
von erstaunlicher Ruhe bestimmt,
wenn
man die brennende Aktualität und Brisanz der Probleme
und
die
oft
lebhaft
und
scharf formulierten Fragen
in
Betracht
zieht. Seit Bangalore konnte man
eine
große Entwicklung in der Bewußtseinsbildung für
soziale
und
ökonomische
Probleme sowie für deren Rückwirkung
auf
die monastische Armut und auf die
dringende Notwendigkeit größerer Anpassung monastischer
Lebensformen
an
die
vorfindlichen Kulturen wahrnehmen.
Freilich gab es auch manches Zögern, viele Fragen blieben
ohne
Antwort,
doch
verschanzte sich niemand hinter
festgelegten
Positionen. Zusammenfassend
kann
man
sagen:
Das
Mönchtum
in
Asien,
wie
es
sich
in
Kandy
dargestellt
hat,
ist
voll
gesunder
Lebenskräfte — mit einer gewissen
Einschränkung : Ich habe den Eindruck, daß
die
Mönche in Asien in ihrer hellsichtigen Aufrichtigkeit
mit
ihrer
Vergangenheit
und ihrem gegenwärtigen Zustand zu streng und zu negativ ins Gericht gehen. Mir wäre eine positivere und ermutigende Beurteilung alles dessen, was geworden ist und was an sehr Wertvollem auch jetzt geschieht, lieber gewesen. Der Abtprimas betonte in seinem Schlußwort den pluralistischen Charakter der monastischen Familie Sankt Benedikts mit ihren Gemeinschaften mehr kontemplativer und mit anderen mehr aktiver Prägung. Besonders würdigte er, daß unsere Gespräche am letzten Tag das Thema Gebet behandelt hätten. Was immer wir auch nach außen leisten können, meinte er, unser wichtigster Beitrag für Asien bestünde innere darin, daß wir Männer und Frauen sind, die Gott suchen. Armand Veilleux [1] Aus dem Bulletin der A.I.M. 1980, Nr. 29, S. 7-22, übersetzt von Paulus Gordan. [2] Da die »Botschaft« — streckenweise wörtlich — in diesen Bericht eingearbeitet ist, verzichten wir auf die Wiedergabe des Textes, um Wiederholungen zu
vermeiden.
Der
Übersetzer. |
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