23. Februar 2015 – 1. Fastenmontag

Lev 19, 1-2. 11-18 ; Mt 25, 31-46

Abtei Maria Frieden – Regulare Visitation

 

 

H O M I L I E

 

            “Ihr sollt vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist”, sagt Jesus einst im Evangelium. Dieser Ruf zur Vollkommenheit war schon in den ersten Seiten des Alten Testaments vorhanden. Bei dieser Eucharistiefeier in der ersten Lesung aus dem Buch Levitikus haben wir eben gehört: "Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig." – Eine sehr günstige Empfehlung am Anfang einer regularen Visitation, während wir eine gemeinschaftliche Gewissenserforschung halten.

            Die sozusagen soziale Dimension dieser Heiligkeit ist auffallend. Der Liste der Verbote, die diesen Ruf zur Heiligkeit deutlich macht, entsprechend, besteht sie zuerst darin:  "Ihr sollt nicht stehlen, nicht täuschen und einander nicht betrügen… Du sollst deinen Nächsten nicht ausbeuten… Du sollst kein Unrecht antun… Du sollst in deinem Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen… (und so weiter und so fort!). Es gäbe hier mit dieser gesamten Liste einen Grund zum Ärger, wenn sie nicht von einem positiven Gebot zusammen gefasst wäre: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." 

            Gott ist Liebe, und seine Liebe umfasst alle und alles.  Er möchte, dass wir haben für jedes seiner Kinder dieselbe Liebe als er. Die Liebe besteht vor allem darin: keinen Unrecht demjenigen antun, den man liebt.   

            Diese Empfehlungen standen am Anfang des Alten Testaments. Wir finden tatsächlich etwas Identisches im Mund Jesu kurz vor seinem Tod in einer Predigt, in der er seine Lehre zusammenfassen möchte. Der Kontext ist diesmal das Jüngste Gericht.      

            Jesus will bald sterben und also seine Jünger verlassen. Er spricht über das Urteil, das er verkünden soll, als er in seinem Ruhm am letzten Tag zurückkommen wird. Er wird an den einen sagen "Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid… denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben" und an den anderen, "Weg von mir… denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben."

            Jesus hatte seinen Jüngern versprochen, er werde bei ihnen bis zum Ende der Zeiten bleiben. Jenseits dessen, das das Jüngste Gericht betrifft, ist die Botschaft im Kerne dieses Textes aus dem Evangelium die Offenbarung der Art und Weise seiner Gegenwart unter uns während der ganzen Zeit der Kirche, von Pfingsten bis zur Ende der Zeiten. Er ist gegenwärtig in einer wirklichen und fühlbaren, sakramentlichen Art und Weise in allen denjenigen, mit denen er hat gewählt, sich zu identifizieren: die Kleinen, die Armen, die Leidenden, die Verlassenen, die Verfolgten. Er ist zuerst gegenwärtig in jeder Ihrer Mitschwestern, die Sie während dieser Visitation mit den Augen Gottes anschauen müssen.  

            Wenn wir wissen möchten, inwiefern wir sind treu zum Ruf heilig zu sein wie Gott heilig ist, vollkommen zu sein wie Gott vollkommen ist, müssen wir uns fragen, wie wir ihn verehren, ihn lieben und ihn in seinen privilegierten Söhnen und Töchtern, den Kleinen und den Armen behandeln.

Armand VEILLEUX

 

 

 

 

 

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